Globale Erwärmung: Mainzer Forscher sehen Bevölkerung in der Verantwortung
Die Forscher des Max-Planck-Instituts in Mainz sind weltweit mit führend bei der Erforschung von chemischen Prozessen in der Erdatmosphäre und ihrer Auswirkungen auf den Klimawandel. Für Prof. Jos Lelieveld steht fest: Erst wenn die Bevölkerung dem Klimaproblem hohe Priorität einräumt, werden die Politiker etwas unternehmen.
Von Frank Schmidt-Wyk
Reporter Rheinhessen
Ein Kohlekraftwerk. Symbolfoto: Claudia Otte - stock.adobe
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MAINZ - Bei der Erforschung von chemischen Prozessen in der Erdatmosphäre und ihrer Auswirkungen auf den Klimawandel sind Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz weltweit mit führend. Ihre Botschaften sind alarmierend.
Herr Professor Lelieveld, seit Wochen diese Hitze in Deutschland - ist das schon der Klimawandel, der sich bemerkbar macht?
Es ist höchstwahrscheinlich, dass die anhaltende Hitze zumindest teilweise auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Hitzewellen und Hitzeperioden sind zwar kein neues Phänomen. Aber Frequenz und Dauer haben eindeutig zugenommen. Eindeutig beweisen lässt sich dieser Zusammenhang allerdings nicht. Das ist ähnlich wie beim Rauchen: Wenn von hundert Rauchern zehn an Lungenkrebs sterben und von hundert Nichtrauchern nur einer, dann spricht einiges dafür, dass Rauchen Lungenkrebs verursacht.
Man kann bei diesen Temperaturen leicht den Eindruck gewinnen, dass sich die Aufheizung der Erde sogar beschleunigt.
Das ist ein subjektives Empfinden. Objektiv kann man das nicht sagen. Allerdings sagen Klimamodelle genau das voraus: dass sich das Tempo der Erwärmung mit der Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erhöht. Eine Beschleunigung der Erderwärmung würde den Erwartungen der Forschung entsprechen.
ZUR PERSON
Prof. Jos Lelieveld, geboren 1955 in Den Haag, seit 2000 Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz; als Leiter der dortigen Abteilung Chemie der Atmosphäre Nachfolger des Nobelpreisträgers Paul J. Crutzen. 1990 Promotion an der Universität Utrecht, Titel der von Crutzen als Doktorvater betreuten Doktorarbeit: „The role of clouds in tropospheric chemistry“ („Die Rolle von Wolken in der Chemie der Troposphäre“). 1993 bis 2000 Professuren an den Universitäten Wageningen und Utrecht.
In den nächsten Jahren wird es also noch heißer?
Mit Sicherheit, ja. Über CO2 in der Atmosphäre wird zwar viel geredet, doch leider bislang wenig dagegen unternommen.
Mit anderen Worten: Der Mensch ist selbst schuld an der Hitze und ihren negativen Folgen?
Natürlich, wir sind mitschuldig daran, dass es immer wärmer wird auf der Erde. Übrigens nicht nur hier bei uns, sondern auch in vielen Ländern Afrikas und des Mittleren Ostens, wo die Extremhitze noch ganz andere Ausmaße annehmen kann. In diesen Regionen wird es teilweise über 50 Grad heiß.
Mancher Politiker glänzte zuletzt eher in der Rolle eines Lobbyisten der Autoindustrie denn als engagierter Umweltschützer.
Ich glaube schon, dass der Klimawandel für unsere Politiker ein Thema ist und sie auch etwas tun wollen. Aber man muss auch sehen: Politiker reagieren nur auf das, was das Volk will. Erst wenn die Bevölkerung dem Klimaproblem hohe Priorität einräumt, erst wenn viele Menschen wirklich wollen, dass sich etwas verändert, erst dann tut sich etwas in der Politik. Deshalb ist es gut, wenn Zeitungen immer wieder darüber schreiben.
Angela Merkel wurde mal als „Klimakanzlerin“ gefeiert. Hat sie diesen Ruf verspielt?
Ich habe den Eindruck, dass es der gesamten Bundesregierung am nötigen Elan fehlt, den Kohlekonsens aufzukündigen. Dazu wären viel größere Anstrengungen nötig. Auch die SPD glänzt nicht gerade als Vorreiterin bei der Bekämpfung von Umweltproblemen. Es fehlt generell an der Einsicht, dass Kohleenergie per se schmutzig ist und sich fatal auf unsere CO2-Bilanz auswirkt.
Was nutzt es, wenn Deutschland seinen CO2-Ausstoß drastisch reduziert, in anderen Ländern aber nichts passiert oder die Emissionen sogar steigen? Müsste in der Klimapolitik nicht grundsätzlich global gedacht und gehandelt werden?
Das Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem Zeitalter der Industrialisierung zu begrenzen, ist ja ein globales. Um es zu erreichen, haben sich 2012 auf dem Pariser Klimaabkommen 196 Nationen verpflichtet, ihre Emissionen zu verringern. Wie man das schaffen will, das bleibt jedem Land selbst überlassen. Dennoch haben sich alle in Paris diesem gemeinsamem Ziel verpflichtet. China, das zuvor sehr intensiv auf Kohleenergie gesetzt hatte, ist inzwischen sogar zu einem globalen Vorreiter für Erneuerbare Energien geworden. In Nordamerika sind auch keine neuen Kohlekraftwerke mehr geplant. In Indien dafür sehr viele. Es gibt international also noch jede Menge zu tun.
Wie fatal wirkt es sich vor diesem Hintergrund aus, dass US-Präsident Donald Trump den Klimawandel schlichtweg leugnet?
Natürlich ist das ziemlich katastrophal. Dennoch wird auch in den USA nicht mehr investiert in Kohlekraftwerke. Trump verlangsamt den Prozess des Umdenkens zwar, trotzdem geht die Entwicklung auch in den USA unaufhaltsam in Richtung Erneuerbare Energien. Kalifornien zählt auf diesem Gebiet längst zur Weltspitze.
Ist das Zwei-Grad-Ziel überhaupt noch realistisch?
Ich halte es noch für erreichbar. Allerdings müsste die Menschheit dazu bis Mitte des 21. Jahrhunderts weitestgehend aus der fossilen Energiegewinnung ausgestiegen sein. Möglich ist es - in technischer wie in gesellschaftlicher Hinsicht.
Manches läuft aber doch in die genau entgegengesetzte Richtung. Nehmen wir die SUV‘s: Warum kaufen so viele Leute große, schwere Autos und nicht kleine, spritsparende?
In der Automobilbranche läuft vieles konjunkturell bestimmt. Wenn die Leute Geld haben, kaufen sie eben große Autos. Die Politik müsste hier mehr tun, um das Konsumverhalten der Mehrheit in eine andere Richtung zu lenken, eventuell auch über die Spritpreise. Das Wichtigste wäre aber aus meiner Sicht, Hybrid- und Elektroautos attraktiver zu machen. Ich bin überzeugt: Die Industrie kann saubere Autos bauen. Klar, es wurden viele Fehler gemacht, wie man ja gerade beim Dieselskandal gesehen hat. Letztendlich sind die Probleme aber nur mit der Industrie zu lösen. Nur sie kann uns mit den sauberen Autos versorgen, die wir brauchen. Meiner Einschätzung nach ist auch die Bereitschaft dazu da. Allerdings ist der Hybridantrieb in der Herstellung aufwendiger, somit teurer und weniger profitabel. Letztendlich geht es nur ums Geld. Wir brauchen Konjunkturprogramme, wohl auch Subventionen, um massentaugliche Alternativen zum Verbrennungsmotor zu entwickeln und durchzusetzen.
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