Immer mehr Kliniken haben mit Überfüllung, Stress und langen Wartezeiten in den Notaufnahmen zu kämpfen. Es besteht Einigkeit darüber, dass zur Entlastung die Patientenströme besser geteuert werden müssen - aber wie? Auch viele Krankenhäuser in der Region suchen nach geeigneten Maßnahmen, den Ansturm auf die Notaufnahmen zu drosseln.
REGION - Die Notaufnahmen der Krankenhäuser ächzen unter dem Patientenansturm. Obwohl Bagatellfälle in der Notaufnahme nichts zu suchen haben, gehen viele Menschen mit Lappalien wie selbstverständlich ins Krankenhaus statt zum niedergelassenen Arzt. Folge: Überfüllung, Stress und lange Wartezeiten als Dauerzustand an den Kliniken. Etliche Ideen werden diskutiert, wie dem Problem beizukommen wäre. Der drastischste Vorschlag kommt von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV): eine Art Eintrittsgebühr für die Notaufnahme in Höhe von 50 Euro. Widerspruch kam sofort von Medizinethikern und rot-grünen Gesundheitspolitikern, die eine solche Maßnahme als „unsozial“ brandmarken. Ein Gegenargument aus der Praxis formuliert Prof. Michael Wild, Leiter der Unfallchirurgie am Klinikum Darmstadt: Zwar könne eine Gebühr das Klinikbudget aufbessern, „aber bitte nicht noch mehr Bürokratie!“ Fraglich sei auch, wie das im Alltag funktionieren solle, wenn ein Notfallpatient kein Geld dabei habe oder mittellos sei.
In eine konstruktivere Richtung führen Überlegungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Demnach sollen „Integrierte Leitstellen“ rund um die Uhr Anrufe von Patienten entgegennehmen und einen „Versorgungspfad“ festlegen, der vom Notarzteinsatz mit Blaulicht bis zum Hausarztbesuch reichen kann. Akut Behandlungsbedürftige, die noch gehen können, sollen kurzfristig einen Termin in einer Praxis bekommen oder zum „Integrierten Notfallzentrum“ einer Klinik geschickt werden, wo an einem zentralen Empfang entschieden wird, ob ein niedergelassener Arzt oder ein Klinikarzt die Weiterbehandlung übernimmt. Das städtische Klinikum Frankfurt-Höchst testet diese Arbeitsweise bereits seit Oktober – mit überwiegend positiven Erfahrungen.
Portalpraxen scheinen die vernünftigste Lösung zu sein
Weitere Großkrankenhäuser der Region suchen nach geeigneten Methoden, den Ansturm in den Notaufnahmen zu drosseln. Dabei sind Einrichtungen, wo der Ärztliche Bereitschaftsdienst integriert ist, im Vorteil. Wie am Gießener Universitätsklinikum, dem drittgrößten Krankenhaus Deutschlands. Dort werden Patienten je nach Schwere ihrer Verletzung oder Erkrankung sofort aufgeteilt – lebensbedrohliche Notfälle bleiben auf Station im Klinikum, minderschwere Fälle werden an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen, der im Klinikum ansässig ist. In Mainz befindet sich der Ärztliche Bereitschaftsdienst nicht auf dem Gelände der Universitätsmedizin, sondern rund einen Kilometer entfernt im Katholischen Klinikum – mit der Folge, dass die eigene Notaufnahme häufig überlastet ist. Die Uniklinik plant deshalb – analog zum Frankfurter Modell – eine Portalpraxis neben der Notaufnahme. Dort wird dann entschieden, ob es sich wirklich um einen Notfall handelt oder der Hausarzt zuständig ist. Für Michael Wild vom Klinikum Darmstadt sind Portalpraxen oder Notfallzentren zur Steuerung der Patientenströme „der einzige Weg, der die Krankenhäuser entlastet und den Patientenwünschen entgegenkommt.“ Dies umzusetzen, sei „vordringliche Aufgabe von Politik, Verbänden und Kostenträgern“.
Eine Alternative wird gerade in Wiesbaden getestet: In einem Pilotprojekt arbeiten seit Mai die drei Kliniken mit Notaufnahmen mit über 50 Partnerpraxen zusammen, die bereit sind, Akutpatienten noch am gleichen Tag einen Termin zu geben. Allerdings hält auch die Leiterin des Wiesbadener Gesundheitsamts, Kaschlin Butt, Portalpraxen innerhalb der Kliniken aus Patientensicht für die komfortablere Lösung.