Das schnelle Ende der Flucht: Ali B. muss sich im Fall Susanna...

aus Der Fall Susanna

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Ali B. bei seiner Ankunft am Samstagabend in  Wiesbaden. Foto: Sascha Kopp

Samstagabend, kurz vor 21.30 Uhr. Ali B. ist zurück in Wiesbaden. Der Schlusspunkt einer spektakulären Flucht, die sehr viel schneller zu Ende ist, als es zwischenzeitlich den...

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MAINZ / WIESBADEN. Samstagabend, kurz vor 21.30 Uhr. Ali B. ist zurück in Wiesbaden. Der Schlusspunkt einer spektakulären Flucht, die sehr viel schneller zu Ende ist, als es zwischenzeitlich den Anschein hatte. Polizisten einer Spezialeinheit bringen den 20-jährigen Tatverdächtigen im Mordfall Susanna ins mit schwer bewaffneten Kräften gesicherte Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden.

Knapp eine Stunde zuvor war die Linienmaschine aus dem irakischen Erbil mit Ali B. an Bord in Frankfurt gelandet. Kurz, bevor ein schweres Gewitter über Rhein-Main niedergeht, und nach einer letzten Schleife über Mainz, der Heimatstadt der getöteten 14-Jährigen.

Keine 48 Stunden zuvor, um zwei Uhr Ortszeit im Nordirak, hatten die kurdischen Sicherheitskräfte zugeschlagen. Ali B. leistete offenbar keinen Widerstand bei seiner Festnahme. Die kurdische Spezialeinheit, die mit dem deutschen MEK (Mobiles Einsatzkommando) vergleichbar ist, schnappte den 20-jährigen Iraker am frühen Freitagmorgen in einem Hotel in Zakho, einer 350.000-Einwohner-Stadt, etwa anderthalb Autostunden von der kurdischen Hauptstadt Erbil entfernt an der Grenze zur Türkei. Der Zugriff gelang offenbar in letzter Sekunde: Wie Bundespolizeichef Dieter Romann, der beim Flug von Erbil nach Frankfurt persönlich dabei war, gegenüber der „Bild“-Zeitung erklärte, hatte der Tatverdächtige vor, sich in ein Nachbarland abzusetzen.

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Deutschland hat gute Kontakte zu den Kurden

Seit Tagen im Austausch mit seinen kurdischen Netzwerken steht der frühere Mainzer und Kurdistan-Experte Tobias Huch. Die Deutschen hätten traditionell gute Kontakte zu den Kurden. So hatte die Bundeswehr die kurdischen Peschmerga-Kämpfer im Kampf gegen die Terrormiliz „IS“ unterstützt. „Die Bundeswehr ist dort ausgesprochen beliebt“, berichtet Huch, der in London lebt und als Journalist arbeitet. Dies, obwohl die Kurden von der Bundesregierung wegen mangelnder Unterstützung beim Unabhängigkeitsreferendum 2017 massiv enttäuscht worden seien. Namentlich vom damaligen Außenminister Sigmar Gabriel.

Huch vermutet, dass der Kontakt in den Nordirak nun direkt über das Kanzleramt lief. Eine Schlüsselfigur dürfte seiner Meinung dabei der Botschafter der Autonomieregierung Kurdistans in Deutschland, Dilshad Barzani, gewesen sein. Aber auch die sehr guten Kontakte von Bundespolizeichef Romann zu den Kurden dürften eine Rolle gespielt haben. Huch sagt, der Iraker könne froh sein, ausgeliefert zu werden. „In einem Gefängnis im Nordirak zu sein, kann sehr unangenehm werden“, ist seine Einschätzung. Zumal sich auch im Gefängnis, das bei Erbil liegt, die Vorwürfe herumgesprochen haben dürften. Denn kurdischen Ermittlern zufolge hat Ali B. die Tötung des 14-jährigen Mädchens aus Mainz bereits kurz nach seiner Verhaftung in Zokha gestanden.

Vor Tat Alkohol getrunken und Tabletten geschluckt?

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In einem kurdischen TV-Sender berichtet Polizeioffizier Tarik Ahmed, der Verdächtige und sein Opfer hätten vor der Tat viel Alkohol getrunken und Tabletten geschluckt. Zwischen den beiden sei es zum Streit gekommen. Das Mädchen habe gedroht, die Polizei anzurufen, was Ali B. nach eigener Aussage zu der Tat getrieben habe – er habe die 14-Jährige stranguliert. Was von diesem angeblichen Geständnis zu halten ist, ist zunächst unklar; auch, weil völlig offen ist, unter welchen Bedingungen es zustande kam. In der „Deutschen Welle“ kommt die Mutter des Festgenommenen zu Wort, auch sie bringt den Faktor „Alkohol“ ins Spiel. Ihr Sohn könne sich nicht an die Tat erinnern, weil er betrunken gewesen sei, sagt sie. Demnach habe die Familie erst durch die Verhaftung im Irak und durch Nachrichten im Internet von den Vorwürfen gegen Ali erfahren.

Wegen dieser Vorwürfe wird sich ihr Sohn nun in Deutschland verantworten müssen. Im Wiesbadener Polizeipräsidium wird er noch in der Nacht verhört, am Sonntag wird er der Ermittlungsrichterin am Amtsgericht vorgeführt. Bis zu einer möglichen Anklage kann es noch Monate dauern.

Auf dem Flug nach Frankfurt habe B. sehr angespannt und nervös gewirkt, berichtet die RTL-Korrespondentin Kavita Sharma, die mit an Bord des Flugzeuges war. Der 20-Jährige habe in der vorletzten Reihe gesessen, abgeschirmt von Bundespolizisten. Insgesamt seien höchstens 20 andere Passagiere an Bord gewesen, berichten mehrere Mitreisende. Ali B. sei während des rund viereinhalbstündigen Fluges eingeschlafen. Nach der Landung in Frankfurt müssen zuerst alle anderen Passagiere das Flugzeug verlassen. Für sie geht es mit dem Bus zum Terminal. Auf B. wartet der Polizeihubschrauber nach Wiesbaden. Beim Abflug zucken Blitze am Himmel. Es hat sich etwas zusammengebraut.