Ärzte protestieren gegen Sparpolitik: Viele Praxen heute zu

Viele Praxen bleiben aus Protest gegen die Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwoch zu. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Aus Protest gegen die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach bleiben viele Praxen heute geschlossen. Patienten drohen künftig wohl lange Wartezeiten beim Facharzt.

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MAINZ/WIESBADEN. Überall in Deutschland protestieren Ärzte gegen die Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). In Rheinland-Pfalz findet an diesem Mittwoch, 12. Oktober, eine landesweite Protestaktion in Ingelheim statt. Und auch in Hessen werden am Mittwoch viele Praxen geschlossen bleiben.

Mit den Aktionen wollen die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten auf all die Probleme aufmerksam machen, die letzten Endes die zukünftige medizinische Versorgung bedrohen. Nicht nur, dass ihnen seit der Corona-Pandemie vermehrt Mitarbeiter davonlaufen, hinzukommt, dass die Krankenkassen für das kommende Jahr auf einer Nullrunde für Ärzte beharren und einen Ausgleich für die aktuell steigenden Kosten abgelehnt haben.

Weniger Geld für neue Patienten

Für Protest sorgt auch, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach die sogenannte Neupatienten-Regelung wieder abschaffen will, die er noch vor wenigen Jahren als Bundestagsabgeordneter vehement eingefordert hat, so die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz in einer Pressemitteilung. Die Regelung war 2019 unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Ziel eingeführt worden, dass Patienten schneller einen Termin bei einem Facharzt bekommen sollen. Zudem greift sie, wenn Patienten sich einen neuen Hausarzt suchen. Als Anreiz diese zu behandeln, wurden Neupatienten von der sogenannten Budgetierung ausgenommen: Dabei handelt es sich um einen standardmäßigen Abzug von – je nach Fachgruppe – 20 bis 30 Prozent auf ärztliche Leistungen, erläutert Christian Sommerbrodt, Vorstandsmitglied des Hessischen Hausärzteverbandes.

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Um die hohen Kosten der Krankenkassen zu senken, soll die Regelung jetzt im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes wieder gestrichen werden. Dann müsste künftig auch das Honorar, das Ärzte für Neupatienten erhalten, mit einem rund 20-prozentigen Abschlag gezahlt werden. „Alles zusammengenommen, werden wir Ärzte dadurch deutlich zur Kasse gebeten, um das Gesundheitssystem zu entlasten“, sagt Sommerbrodt.

„Sollte das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in dieser Form kommen, haben wir große Bedenken, die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf dem bisherigen Niveau aufrechterhalten zu können“, zeigt sich Olaf Döscher, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Rheinland-Pfalz besorgt. Ständige Kostensteigerungen, Inflation und fehlende Fachkräfte würden die Ärzte schon jetzt an die absolute Belastungsgrenze bringen. Die wirtschaftliche und personelle Lage der Praxen sei so angespannt wie lange nicht mehr. Für die Patienten sei damit zu rechnen, dass sich die schon jetzt vorhandenen Wartezeiten gerade in hochspezialisierten Facharztpraxen massiv ausweiten würden.

Kein klassisches Streikrecht für Ärzte

Und darauf wollen die Ärzte mit ihren Protestaktionen aufmerksam machen. Da Ärzte jedoch kein klassisches Streikrecht haben, werden die Protesttage offiziell als Fortbildungstage deklariert. Ähnlich wie in Rheinland-Pfalz wird es auch in Hessen am kommenden Mittwoch ein Protest-Treffen geben, das von den ärztlichen Berufsverbänden organisiert wird, teilt die KV Hessen auf Anfrage mit. „Es werden vor allem viele Fachärzte ihre Praxen für einen Tag schließen, da sie von der Neupatientenregelung stärker betroffen sind als die Hausärzte“, erläutert Sommerbrodt.

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In Rheinland-Pfalz wird es unter dem Motto „Wir sehen Schwarz“ eine zentrale Veranstaltung mit Fachvorträgen für alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten geben, zu der die KV Rheinland-Pfalz eingeladen hat. Laura Buch, die eine Hausarztpraxis in Mainz-Drais führt, wird mit ihrem Team in Ingelheim dabei sein: „Wir müssen deutlich machen, dass die Politik mit ihrem Handeln das Gesundheitssystem über kurz oder lang kaputt macht. Sollte es in dieser Form weitergehen, können wir zum einen unsere Patientinnen und Patienten nicht mehr adäquat versorgen. Zum anderen ist es dann für viele bereits ambulant tätige Kolleginnen und Kollegen nicht mehr lukrativ, eine Praxis zu führen. Die Anreize für den Nachwuchs, sich niederzulassen, werden ebenso immer geringer. Wir können dies nicht einfach so hinnehmen, sondern müssen unsere Stimme dagegen erheben", sagt die Fachärztin für Allgemeinmedizin.

Da die Praxen der teilnehmenden Ärzte am kommenden Mittwochvormittag geschlossen sein werden, ist der Ärztliche Bereitschaftsdienst geöffnet und für nicht lebensbedrohliche medizinische Notfälle unter der Nummer 116117 erreichbar. Für Praxen, die in Hessen geschlossen werden, findet in der Regel eine Vertretung durch umliegende Praxen statt, teilt die KV Hessen auf Anfrage mit.