BKA-Chef Münch: Angst der Menschen vor Kriminalität ernst nehmen
Die gefühlte Sicherheit ist laut BKA-Chef Holger Münch ebenso wichtig wie die tatsächliche. Dementsprechend ernst genommen werden müsse die Angst vor Kriminalität.
Von Wolfgang Degen
Mitarbeiter Lokalredaktion Wiesbaden
Symbolfoto: lassedesignen - Fotolia
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WIESBADEN - Die Polizei muss konsequent und so schnell wie möglich für das digitale Zeitalter fit gemacht werden. Das erklärte am Mittwoch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, bei der Eröffnung der traditionellen Herbsttagung seiner Behörde in Wiesbaden. Rund 500 Vertreter von Sicherheitsbehörden, der Justiz, der Wirtschaft und der Politik befassen sich bei der zweitägigen Veranstaltung mit dem Thema „Sicherheit in einer offenen und digitalen Gesellschaft“.
Digitaler Wandel sorgt für mehr Gefahren
Der digitale Wandel durchdringe sämtliche Lebensbereiche und verändere gewohnte Abläufe, sagte Münch. Das gelte auch für die Arbeit der Polizei- und Sicherheitsbehörden weltweit. Die vielfältige Cyberkriminalität, bei der Täter moderne Informationstechnik nutzen, geht mit einem erheblichen Schadenspotenzial einher. Betroffen sind einzelne Bürger, die im und übers Internet Opfer eines Betruges oder eines Daten-Diebstahls werden können.
Betroffen sind Firmen und ganze Wirtschaftszweige, etwa durch Cyberspionage. Bedroht sind ebenso Verwaltungen und kritische Infrastrukturen, wie die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, etwa durch Hackerangriffe. „Das sind längst keine Zukunftsszenarien mehr“, sagte Münch. „Das ist eine reale Gefahr. Ziele in Deutschland können von jedem und von überall auf der Welt angegriffen werden“.
Dieser Herausforderung müsse man mit neuen Strategien und mit neuen oder erweiterten rechtlichen Befugnissen begegnen. Die Kriminalitätsbekämpfung, aber auch die Gefahrenabwehr müsse weiter gedacht und ausgebaut werden. Zur Bekämpfung der Cyberkriminalität wird das Bundeskriminalamt eine neue Abteilung zur Strafverfolgung aufbauen. „Dabei fangen wir nicht bei Null an“, so der BKA-Präsident. Grundlage sei eine bereits bestehende Arbeitsgruppe. Das Bundeskriminalamt wolle mit der neuen Abteilung den Länderpolizeien mehr Service zur Verfügung stellen. Für eine verbesserte Gefahrabwehr müssten dem Bundeskriminalamt Rechte übertragen werden, um die Befugnisse der Bundesländer zu ergänzen und um Lücken zu schließen. Vernetzung sei das Gebot.
"Auch Gefühle sind Fakten"
Münch ging auch ein auf das schwindende Sicherheitsgefühl in weiten Teilen der Bevölkerung. Der Verweis auf die Kriminalstatistik, auf die erneut gesunkenen Zahlen der erfassten Kriminalität und die hohe Aufklärungsquote, reiche nicht. „Auch die Angst der Menschen vor Kriminalität muss ernst genommen“, denn so der BKA-Präsident: „Auch Gefühle sind Fakten“.
Vor einem anderen schwindenden Vertrauen warnte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU): Es gebe den Eindruck, dass das Vertrauen der Bürger in die Justiz abgenommen habe, und das sei „besorgniserregend“. Die Justiz kämpfe mit massiven Personalproblemen, das sei „ein ganz brennendes Thema“, so der Innenminister. Zudem sei eine Reform der Strafprozessordnung geboten. Daran werde im Justizministerium gearbeitet. Seehofer sprach von teils überlangen Verfahren und davon, dass immer wieder dringend Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssten, weil Fristen verstrichen seien.
Die Regierungskoalition in Berlin habe sich auf einen „Pakt für den Rechtsstaat“ verständigt. Der Pakt werde Thema einer gemeinsamen Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den_Ministerpräsidenten der Länder am 5. Dezember. Eine personell gut aufgestellte und effiziente Justiz sei auch wichtig für die Arbeit der Polizei.