Rechnungshof wirft Oppenheim Verschwendung vor – Bürgermeister Held wehrt sich
Trotz „desolater Finanzlage“ habe die Stadt Oppenheim jahrelang aus dem Vollen geschöpft, behauptet der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz. Bürgermeister Marcus Held (SPD) sieht das anders und hat nun seine Sicht auf den Prüfbericht dargelegt.
Von Markus Lachmann
Reporter Politikredaktion Mainz
Oppenheims Bürgermeister Marcus Held steht in der Kritik. Archivfoto: Torsten Boor
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OPPENHEIM - Goldene Ehrenringe für verdiente Ratsmitglieder, jährliche Kosten für Wein in vierstelliger Höhe, hohe Entschädigungen für Beigeordnete und ein BMW-Allrad als Dienstwagen: In seinem Berichtsentwurf zeichnet der Landesrechnungshof ein Bild der Stadt Oppenheim, die in den vergangenen Jahren in Saus und Braus gelebt hat; trotz „desolater Finanzlage“. Doch Stadtbürgermeister Marcus Held (SPD) hält dagegen. Er hat dieser Zeitung auf Nachfrage einen ersten Teil des Prüfberichts vorgelegt – samt den Anmerkungen von Stadt und Verbandsgemeinde.
Die brisantesten Punkte werden von den Beteiligten momentan noch unter Verschluss gehalten. Gemeint sind die Ankäufe von Grundstücken durch die Stadt im Jahr 2014. Die Stadt zahlte dabei Maklerkosten in Höhe von mehr als 160.000 Euro, offenbar ohne den Makler selbst beauftragt zu haben. Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelt seit Juli diesen Jahres gegen Held, der auch SPD-Bundestagsabgeordneter ist, wegen des Verdachts der Untreue in neun Fällen.
6.500 Euro für 1.568 Flaschen Wein und Secco
Der Rechnungshof hat in seiner Sonderprüfung, das geht aus dem 50-Seiten-Dokument hervor, offenbar jede Büroklammer im Rathaus einzeln untersucht. Manche Ausführungen können durchaus als Kritik an Helds – ehrenamtlicher – Amtsführung gewertet werden, anderes berührt grundlegende Fragen des Verhältnisses von Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden, Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in Rheinland-Pfalz. Beispiel ehrenamtliche Beauftragte und Beigeordnete: Oppenheim ist hier beileibe kein Einzelfall im Land. Die drei Beauftragten (für Umwelt, Partnerschaften und Bürgerangelegenheiten) erhalten monatlich je 450 Euro Aufwandsentschädigung, die drei Beigeordneten je 801 Euro. Verschwendung oder Entlastung des Bürgermeisters? Letzteres, betont Held.
Weitere Feststellungen des Rechnungshofs
Die Stadt Oppenheim beschäftigte acht Schülerlotsen, Kostenpunkt 2016: 40.000 Euro. Nach einer Verwaltungsvorschrift des rheinland-pfälzischen Innenministeriums sei es aber Aufgabe der Schulen, Lotsen ehrenamtlich zu organisieren.
Der Rechnungshof fordert außerdem, die Kosten für Veranstaltungen zu reduzieren – 2013 bis 2016 betrugen diese 284.000 Euro (ohne Theaterfestspiele). Laut Stadt standen den Kosten jedoch Einnahmen von 185.000 Euro gegenüber.
Die Prüfer des Rechnungshofs fordern, die Oppenheim Tourismus GmbH aufzulösen – und außerdem halten sie das Gehalt des Geschäftsführers mit 72.000 Euro für zu hoch, zumal die GmbH im Wesentlichen nur die Untergrundführungen organisiere. Die GmbH werde von der Stadt verdeckt subventioniert.
Die Vergabe von Ingenieursleistungen bei Straßenausbaumaßnahmen (insgesamt 684.000 Euro) und bei der Stadtsanierung (77.000) stieß ebenfalls auf Kritik. Sie sei ohne Ausschreibung an ein im Rathaus ansässiges Unternehmen erfolgt.
Alleine im Jahr 2014, moniert der Rechnungshof, gab die Stadt für Repräsentationszwecke fast 6.500 Euro für 1.568 Flaschen Wein und Secco aus. Das ist das Doppelte dessen, was sich beispielsweise die Stadt Bingen im Jahr 2016 an guten Tropfen gönnte. Auch in den anderen geprüften Jahren ging Oppenheim beim Weinetat in die Vollen, wobei Held auf Großveranstaltungen wie 1250-Jahr-Feier und Rheinhessen-Jubiläum hinweist. Gleichwohl: Dass „alkoholische Repräsentationsnotwendigkeiten“ in der Kleinstadt Oppenheim um so viel höher seien als in der großen Stadt Bingen, kann die Prüfbehörde nicht nachvollziehen. Oder 6.397,44 Euro für „3 Ehrenringe 585/000 Gelbgold mit Oppenheimer Wappen in Lagenstein graviert“, für ausgeschiedene Ratsmitglieder? Das ist angesichts der klammen Stadtkasse einfach nicht drin, finden die Prüfer. Allerdings auch seit drei Jahrzehnten Tradition, ergänzt Held.
Und dann die Sache mit dem Dienstwagen. Für die Stadt und seinen Bürgermeister wurde in den Jahren 2011 bis 2014 ein BMW 330d Touring geleast, in den letzten beiden Jahren sogar in der Allradversion „xDrive“. „Angesichts der meteorologischen und topografischen Verhältnisse“ in Oppenheim und im Kreis Mainz-Bingen bräuchte man aber kein Allrad, schreiben die wetterkundigen Prüfer.
Die monatlichen Brutto-Leasing-Raten zwischen 360 und 619 Euro lagen, so schildert es der Bürgermeister, niedriger als die des vorangegangenen Peugeots, zudem habe er – wie auch zahlreiche andere ehrenamtliche Bürgermeister in Rheinland-Pfalz – von einer neuen, günstigen Dienstwagen-Vereinbarung des Gemeinde- und Städtebundes mit BMW Gebrauch gemacht. Und die Allradversion? Das könne daran liegen, dass BMW hier möglicherweise günstiger als bei geringerer Motorisierung war, was bei Leasing durchaus schon einmal der Fall ist.
„Nutzungsüberlassung war rechtswidrig“
Allerdings zahlte Held der Stadt wie vereinbart kein Geld für die private Nutzung des Dienstfahrzeugs. „Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung für private Zwecke war rechtswidrig“, schreibt der Rechnungshof. Der Stadt sei dadurch ein Schaden entstanden. Auch hätte die Stadt nicht im Jahr 2014 nach einem Schaden am BMW eine Kaskoselbstbeteiligung von 1.236 Euro zahlen dürfen.
Held erläutert, er habe sich auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Abrechnungen durch die Verbandsgemeinde verlassen; gegebenenfalls werde er nachzahlen. Und was die privaten Fahrten betreffe, habe die Verbandsgemeinde nun eine nachträgliche Berechnung erarbeitet. Im Übrigen habe er in der Zeit vor dem BMW bis auf eine Ausnahme nie dienstliche Fahrten mit seinem Privatfahrzeug abgerechnet. Einen Dienstwagen der Stadt Oppenheim für ihn gebe es seit 2014 nicht mehr.
+++ UPDATE +++
Privatfahrten wurden laut Held erstattet
Der Oppenheimer Stadtbürgermeister Marcus Held (SPD) hat die private Nutzung seines von 2011 bis 2014 genutzten Dienstfahrzeugs im Rahmen der 1-Prozent-Regelung nach eigenen Angaben versteuert und damit erstattet. „Auf diese Feststellung wird im Rahmen der Berichterstattung über den Prüfbericht des Landesrechnungshofs großen Wert gelegt“, erklärte der SPD-Politiker am Montag.
Wie Held erläuterte, sei er entgegen der Darstellung in dieser Zeitung „sehr wohl“ seiner damaligen Ausgleichspflicht nachgekommen. „Der Rechnungshof beanstandet bei mir, wie auch bei VG-Bürgermeister Penzer, dass privat gemachte Fahrten neben dieser 1-Prozent-Regelung nicht nochmals zusätzlich abgegolten worden sind.“ Die Stadt habe in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es sich um eine doppelte Abrechnung handeln würde, die rechtlich nicht nachvollziehbar sei.
Auch Erkundigungen bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Vertretern kommunaler Spitzenverbände hätten dieses Ergebnis ergeben, das im Übrigen in der Wirtschaft ebenso üblich sei. Deshalb sei die von der VG-Verwaltung erstellte Vereinbarung und die daraus resultierenden Abrechnungen aus dieser Zeit ordnungsgemäß, so Held. Seit März 2014 habe er übrigens keinen Dienstwagen mehr.