In der Verbandsgemeinde Rhein-Selz müssen die Kläranlagen ausgebaut werden
Von Ulrich Gerecke
Reporter Politikredaktion
Die Klärwerke in der VG Rhein-Selz müssen erweitert werden. Unser Foto zeigt die Anlage in Oppenheim. Foto: hbz/Michael Bahr
( Foto: hbz/Michael Bahr)
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VG RHEIN-SELZ - In der Verbandsgemeinde Rhein-Selz müssen in den kommenden Jahren mehrere Kläranlagen ausgebaut werden. Herwig Lepherc, Werkleiter beim Abwasserzweckverband ZAR, spricht in seiner Antwort auf eine Anfrage der VG-Ratsfraktion der Grünen von „semizentralen Energiezentren mit Schlammbehandlungsstufe und energetischer Nutzung des Klärschlammes“. Wie viele solcher Anlagen gebraucht werden und wo im ZAR-Gebiet (siehe Kasten) sie stehen werden, sei noch völlig offen, sagte Lepherc der AZ. Dies soll aus einer Studie hervorgehen, die der ZAR gerade in Auftrag gegeben hat.
Novellierung hat dramatische Folgen
Auslöser für Lephercs Planungen ist die kurz vor der Bundestagswahl im September novellierte Klärschlammverordnung, die für Rheinland-Pfalz dramatische Folgen hat. Hierzulande werden derzeit rund zwei Drittel des Klärschlamms landwirtschaftlich genutzt, also auf Feldern ausgebracht, der Rest thermisch verwertet (sprich: verbrannt). Im Bundesschnitt ist das Verhältnis genau umgekehrt. Weil die neue Verordnung nun extrem hohe Auflagen macht, wird die Nutzung auf Äckern in absehbarer Zeit massiv eingeschränkt oder sogar komplett unmöglich.
„Damit wird die günstigste Form des Zuführens von Nährstoffen und dem Schließen des Nährstoffkreislaufs unterbunden“, kritisiert Lepherc. Die Folgen kann der ZAR, der bis vor Kurzem gar keinen Schlamm verfeuert hat, schon beobachten. Die Kosten für die landwirtschaftliche Verwertung von 4500 Tonnen Klärschlamm, die jährlich allein in den fünf Anlagen in der VG Rhein-Selz anfallen, steigen von 192 000 Euro auf 254 500 Euro.
ABWASSER-ZWECKVERBAND (ZAR)
Der 2010 gegründete Zweckverband Abwasserentsorgung Rheinhessen (ZAR) entsorgt den Klärschlamm für rund 100 000 Einwohner in der Stadt Alzey sowie den Verbandsgemeinden Rhein-Selz, Alzey-Land und Eich (vom 1. Januar 2018 an).
Der ZAR betreibt zwölf Kläranlagen, davon fünf in der VG Rhein-Selz: Oppenheim, Hahnheim, Guntersblum, Mommenheim und Hillesheim.
Weil alle diese Werke die Größe von 50 000 Einwohnerwerten unterschreiten, sind sie bisher nicht gesetzlich verpflichtet, Verfahren zur Phosphorrückgewinnung anzuwenden.
Phosphorrückgewinnung spielt bei der aktuellen Diskussion um Klärschlamm eine große Rolle, weil der Stoff lebensnotwendig ist, die natürlichen Ressourcen aber in 150 bis 200 Jahren erschöpft sein könnten.
Die Aufgabe lautet also: Klärschlammmengen verringern, den Rest möglichst günstig verwerten und zugleich die Entsorgungssicherheit gewährleisten. „Wir haben einen Haufen Probleme zu lösen, vor allem organisatorischer Natur“, sagt Lepherc. Immerhin hat er für den Verbraucher eine gute Nachricht: Auch wenn im schlimmsten Fall gar nicht mehr landwirtschaftlich verwertet wird (Kosten pro Tonne: 56,53 Euro), sondern alles verbrannt werden muss (80,92 Euro pro Tonne), würden die Kosten für den Verbraucher nur minimal steigen. Lepherc prognostiziert hier maximal plus sechs Cent pro Kubikmeter Schmutzwasser.
Die Gründe für die Kostenexplosion, die Lepherc zu schaffen macht, sind vielfältig: Der Stickstoffgehalt, der gesetzlich erlaubt ist, wurde auf ein Drittel reduziert, man braucht also eine dreimal so große Fläche. Klärschlamm muss länger lagern, die Transportkosten steigen, das Gebot, möglichst viel wertvollen Phosphor zurückzugewinnen, macht die Behandlung noch teurer.
Die Lösung liegt für Lepherc in der anaeroben Behandlung der ankommenden Fäkalien in großen Faulbehältern mit anschließender Verstromung des Methangases für den eigenen Energiebedarf. Im Oppenheimer Werk wird dies seit den 1980er Jahren in zwei großen Faultürmen praktiziert, in den kleineren Anlagen war diese Art der Nutzung bisher „wirtschaftlich nicht darstellbar“. Deshalb soll die Studie aufzeigen, wie man den dort anfallenden Klärschlamm sinnvoll zusammenführen und an zentralen Standorten verwerten kann. Einer werde nicht reichen, „eventuell läuft es auf zwei oder drei hinaus“, sagt Lepherc vorsichtig.
Eigene Verbrennungsanlage wird nicht benötigt
Klar ist nur: Eine eigene Verbrennungsanlage wird der ZAR nicht bauen. Dafür sei man zu klein, zudem stehe so ein Ofen in Mainz schon, Offenbach und Gießen planen welche, hier wittern einige das große Geschäft. „Die Preise für thermische Verwertung ziehen jetzt schon an“, hat Lepherc beobachtet. Zuletzt habe man erstmals einen Teil des Klärschlamms verbrennen müssen – das geschah in Köln.
Oberstes Gebot bleibt für Lepherc: „Der Reststoff Klärschlamm muss auf ein Minimum reduziert werden.“ Bisher bleibt vom angelieferten Material nach der Behandlung rund ein Viertel übrig, das ausgebracht wird. Auch wenn das nun deutlich teurer oder vielleicht unmöglich wird, sieht Lepherc den ZAR für die zukünftigen Aufgaben gut gerüstet: „Wir haben eine große Einheit geschaffen und dadurch einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Regionen.“