Knochenfunde im Herxheimer Heimatmuseum. Fotos: Kirsten Strasser
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HERXHEIM - Ein paar Werkzeuge, mit denen sich Bauern früher, auf ihren Äckern abmühten, einige Kupferstiche und vielleicht eine Handvoll Scherben, die irgendwann mal ausgebuddelt wurden – so sind Heimatmuseen in der Regel bestückt. Nicht so das im pfälzischen Herxheim – dieses Museum hat ganz klar den Gruselfaktor.
Natürlich, auch hier gibt es eine Abteilung, die sich dem Zigarrenwickeln (Herxheim war eine berühmt für seinen Tabakanbau) oder der Kunst des Tuchwebens widmet. Doch wer sich die moderne Wendeltreppe runter in den Keller wagt, für den wird es richtig spannend: In Vitrinen lagern Knochen und Schädel von Menschen, die vor 7000 Jahren gestorben sind – und das beileibe nicht eines natürlichen Todes.
Was sich am Rande der kleinen Siedlung, die heute Herxheim heißt, in der Jungsteinzeit abspielte, gilt als eines der größten archäologischen Rätsel in der Geschichte Europas. Es war ein spektakulärer Fund, der vor über 20 Jahren ans Licht kam, als in Herxheim ein Industriegebiet gebaut werden sollte. Beim Ausbaggern stießen die Arbeiter auf sehr, sehr viele Knochen – von rund 500 Menschen, Babys, erwachsenen, Greisen.
Knochenfunde im Herxheimer Heimatmuseum. Fotos: Kirsten Strasser Foto:
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Seitdem beschäftigen sich die Forscher damit – sie gehen davon aus, dass in dem Areal die Überreste von rund 1000 Toten ruhten oder noch ruhen. Aber warum waren die Verstorbenen nicht in der Hochstellung beigesetzt worden, wie in der Jungsteinzeit üblich? Warum waren ihre Schädel auf eine ganz spezielle Weise zerschlagen, ihre Knochen zertrümmert worden? Und: Woher kam diese Armee der Opfer, die mit Sicherheit nicht in ihren Strohbetten sanft entschliefen?
Schnell war klar: Dieser Fall hatte eine kriminalistische Komponente. „Die Kannibalen von Herxheim“, titelten die großen Blätter der Republik, der Boulevard überschlug sich mit Spekulationen über Pfälzer, die ihre Frauen und Kinder fressen. Wobei der Gedanke an eine Art Massenkannibalismus so weit hergeholt gar nicht ist: Die Menschen seien „wie Schlachtvieh“ zerlegt und entfleischt worden, sagte die Archäologin Dr. Andrea Zeeb-Lanz in einem Zeitungsinterview. Aber nicht etwa, weil da jemand besonders großen Hunger hatte – die Knochen, die in der Grube bei Herxheim gefunden wurden, seien „Ritualabfall“, erklärte die Forscherin unlängst der „Rheinpfalz“.
SERIE B9
Baustellen, Blechlawinen, Staus – das verbinden viele mit der B 9. Doch die rund 450 Kilometer lange Verkehrsader, die von der französischen bis zur niederländischen Grenze führt, verbindet uns mit vielen interessanten Orten und Regionen. Wo kommt man raus, wenn man auf der B 9 on Tour geht? In unserem letzten Serienteil stellen wir Ihnen Herxheim vor.
Die Knochen stammen nicht aus Herxheim
Doch immer noch werfen die Knochenfunde viele Fragen auf. Wer waren die vielen Menschen? Fest steht – sie stammten nicht aus Herxheim. Doch kamen sie freiwillig in die kleine Bauernsiedlung – vielleicht mit dem Willen, sich und ihre Kinder zu opfern? War das Töten und Entbeinen, womöglich auch das große Fressen ein Ritual, mit dem ein erzürnter Gott besänftigt werden sollte? Durchaus eine These: Denn die bandkeramische Kultur, der die Herxheimer Siedlung zuzurechnen war, verschwand kurz darauf von der Bildfläche. Die Krise, die dazu führte – ein weiteres Rätsel.
Keine Frage, die Knochenvitrinen im Museumskeller sorgen für den ein oder anderen Schauder. Doch billig aufgemacht ist die Ausstellung keineswegs. Texttafeln informieren ausführlich und seriös über den archäologischen Sensationsfund und den heutigen Forschungsstand. Dazu erfährt der Besucher auch abseits von mysteriösen Tötungen und rituellem Kannibalismus viel über die Lebensweise der Menschen, die vor sieben Jahrtausenden das heutige Herxheim besiedelten – und über ihre Handwerkskunst. Die Bandkeramik war die erste Bauernkultur in Deutschland, die Bandkeramiker lebten von Ackerbau und Viehzucht. Ihren Namen haben sie von den charakteristischen Tongefäßen, die sie herstellten, diese waren mit sehr auffälligen Verzierungen versehen. Viele Scherben dieser Krüge fand man zwischen den Knochen der entfleischten Toten. Warum? Ein Rätsel.