NIERSTEIN/SCHWABSBURG - Diese „Dame“ kommt in schwarzer Spitze daher, der hohe Beinschlitz enthüllt Nahtstrümpfe und High-Heels, Lippen und Fingernägel leuchten knallrot. Der tiefe Rückenausschnitt sorgt nur maßvoll für Belüftung an diesem heißen Spätnachmittag in Schwabsburg, und so greift „Margo“ zum Utensil, das auch vielfach im Publikum zu finden ist: Dem Fächer. Die handgesteuerte Klimaanlage wird dringend gebraucht, denn auch unabhängig von den gewitterdräuenden Temperaturen wird es schwül in Smeissers Scheune.
Geschuldet ist das den pfiffig-frivolen Schlagern und Chansons „von gestern und vorgestern“, mit denen „Margo“ – unterstützt von „Tastentier“ Ernst Seitz am Piano – die Zuschauer begeistert. „Jede Gnädige, jede Ledige trägt den Bubikopf so gern“, beteuert die Chanteuse, die nach der Pause in einem flaschengrünen, engen Kleid hereinrauscht und den Sitz der eigenen, von einer Glitzerspange gehaltenen schwarzen Kinnfrisur kontrolliert. Im Zentrum des Soloprogramms steht die titelgebende und eine der für die holde Weiblichkeit entscheidenden Fragen: „Was zieh‘ ich heute an?“ Wie sprachlich gewandt und musikalisch pointiert die Komponisten und Texter der 1920er und 1930er Jahre, sprich Friedrich Hollaender und Co., Menschliches und Allzumenschliches aufspießen, verkörpert die Actrice in einem schlüssigen Zusammenspiel aus Tenorstimme, mimischer Ausdruckskraft, humorvoller Moderation und aussagekräftigen Gesten.
Kunstfigur von Reiner Weimerich
„Margo“ ist eine der Kunstfiguren Reiner Weimerichs. Der Tenor, seit 1990 beim Opernchor des Staatstheaters Mainz engagiert, lebt sein humoristisches Talent und seine Vorliebe für Parodien seit seinem ersten Soloprogramm „Eine Operndiva plaudert aus dem Nähkästchen“ vor gut zehn Jahren aus. Die Idee zur Figur „Margo“ entstand im Rahmen der Chorreihe „Die Friedrich-Hollaender-Revue“ in der Spielzeit 2006/2007, und seitdem ist die „Frau, mit der ,Mann‘ sich verrechnet hat“, immer wieder gern gesehener Gast in der Schwabsburger Kulturscheune der Smeissers.
„Benjamin, ich hab nichts anzuziehn“ – dieser Evergreen von Jara Benes und Fritz Löner-Beda aus den Zwanzigern hat zwingend seine Berechtigung angesichts von „drei gefüllten Kleiderschränken mit nichts zum Anziehen“. Soll es das „zarte, aparte“ Kleid sein oder doch eher das „lila matte, glatte“, das karierte oder gestreifte? „Man trägt Rot, wenn man verliebt ist, und Blau, wenn man treu sein will“, singt Margo. Fest steht nur: „Ein Kleid sollte eng genug sein, dass man die Frau, und weit genug, dass man die Dame erkennt“. Und auch ganz textilfrei war schon vor 80 Jahren ein Thema: „Für die Entfernung der Kledage krieg ich Gage“, schildert ein Chanson den Alltag einer Striptease-Tänzerin der Bubikopf-Ära.
Deshalb gilt: „Die meisten Männer hören mit den Augen“, zwinkert Margo ihren „Geschlechtsgenossinnen“ zu, und so dienten die Blicke des „starken Geschlechts“ eigentlich der eigenen Gesunderhaltung. Denn: „Die Mode ist für uns der wichtigste Stoff-Wechsel“.