Streit um Ölspuren: Stadt Nierstein will vor Gericht klären lassen, ob sie Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen reinigen muss
Von Ulrich Gerecke
Reporter Politikredaktion
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NIERSTEIN - Thomas Günther ist bekanntermaßen keiner, der Konflikten aus dem Weg geht. Nun hat sich Niersteins Stadtbürgermeister mit Rheinland-Pfalz angelegt. Mit einer Musterklage will er klären, ob Städte und Ortsgemeinden Ölspuren auf Durchgangsstraßen beseitigen müssen. „Ja“ meint das Land unter Berufung auf das Landesstraßengesetz. „Nein“ sagt Günther.
Vergangenen Mittwoch hat Rechtsanwalt Franz-Peter Gallois seine Klageschrift beim Mainzer Verwaltungsgericht eingereicht. Während Günther sich dafür die einmütige Zustimmung des Haupt- und Finanzausschusses sicherte, legte Gallois den Streitwert vorerst auf 10 000 Euro fest. Kläger ist die Stadt Nierstein, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rhein-Selz. Auf der Gegenseite steht das Land, vertreten durch den Landesbetrieb Mobilität (LBM). Im Juristen-Deutsch nennt sich der Klagegrund „Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses“. In Alltagssprache heißt das: Nierstein fühlt sich nicht zuständig.
Haftpflichtversicherung zahlt, wenn Verursacher bekannt
Ausgelöst hatte den Gang vor den Kadi ein Vorfall am 31. März. An diesem Morgen zog sich eine Ölspur über die B 9, vom Haus Rheinallee 66 bis über die nördliche Stadtgrenze hinaus. Die VG-Feuerwehr forderte Nierstein auf, den Schaden zu beseitigen, was Günther strikt ablehnte. Der Fall spitzte sich nur deshalb nicht zu, weil der Verursacher ermittelt wurde und dessen Haftpflichtversicherung anstandslos zahlte.
Dass der Verursacher ermittelt werden könne, sei aber nicht der Regelfall, schreibt Gallois in seiner Klagebegründung: „Die Klägerin hat ein großes Interesse daran, die Frage der Verantwortlichkeit grundsätzlich zu klären, da pro Jahr ihr für die Beseitigung von Verschmutzungen im Bereich der B 9 Kosten in Höhe von 5000 bis 10 000 Euro anfallen.“ Zu den Reinigungskosten komme die Gefahr, bei durch Ölspuren verursachten Unfällen in Haftung genommen zu werden. Gallois’ Argumentation kreist um die Paragrafen 17 und 40 des Landesstraßengesetzes, die regeln, dass Ortsdurchfahrten von Bundes-, Land- und Kreisstraßen von den Anlieger-Kommunen zu reinigen sind. Aber schon im April hatte der Städte- und Gemeindebund darauf hingewiesen, dass diese Reinigungspflicht nur „übliche, widmungsgemäße“ Verschmutzungen durch normalen Betrieb umfasse, aber kein ausgelaufenes Öl. „Man hat das bewusst offen gelassen und einer nach wie vor ausstehenden Klärung durch die Rechtsprechung überlassen“, heißt es dort. Genau die will Nierstein herbeiführen.
Auch Gallois erklärt, durch den Paragrafen 17 werde nur die handelsübliche Beseitigung von Schnee, Laub oder Schmutz durch die Kommune erfasst. „Bestimmungswidrige, weil den fließenden Verkehr störende Ereignisse – wie etwa das Verursachen einer Ölspur, zum Beispiel durch auslaufendes Mineralöl – finden nicht im Rahmen der Widmung statt.“ Für ihn heißt das: In solchen Fällen muss das Land selbst zahlen.
Zudem führt der Mainzer Anwalt an, dass eine Ölspur nur „unter Einsatz von Mitteln möglich ist, die nicht jedermann zugänglich sind“: Bindemittel, Spezialbesen, Sondermaschinen. Das alles könne die Kommune nicht leisten und gleich gar nicht auf die Anlieger abwälzen. Diese an den Kosten zu beteiligen, verstoße zudem womöglich gegen den Gleichheitsgrundsatz. Gallois’ Fazit: „Letztlich dient die Zuständigkeit der Gemeinde nur dem Zweck, möglichst schnell den widmungsmäßigen Gebrauch wieder zu ermöglichen und Gefahren schnell und effektiv abzuwehren.“
Ob diese Argumentation vor dem Verwaltungsgericht zieht, bleibt abzuwarten. 2007 hatte die Mainzer Kammer in einem ähnlichen Fall gegen die Kommune geurteilt. Inzwischen liegt aber ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vor, das das Gegenteil besagt. „Wir würden eine Chance vergeben, wenn wir es nicht probieren“, sagt Günther. Das Prozesskostenrisiko der Stadt liege bei rund 5000 Euro. Der mögliche Ertrag im Erfolgsfall wäre ungleich höher, denn: „Solche Ölspuren haben wir manchmal zwei oder drei pro Monat, das ist sehr teuer.“ Von der Verantwortung ganz zu schweigen.
Seine Kollegen sowie den Städtebund weiß Günther hinter sich: „Viele stimmen uns zu, aber keiner wagt den Schritt vor Gericht.“ Aber wie gesagt: Konflikten geht Thomas Günther nicht aus dem Weg.