Stadtrat schlägt neues Kapitel für Rhein-Selz-Park auf
Am Ende fiel das Votum für ein Mischgebiet und gegen die Offroad-Strecke deutlich aus. Mit 15 zu neun Stimmen hat der Rat eine jahrelange Streitfrage beantwortet – und neue aufgeworfen.
Von Ulrich Gerecke
Reporter Politikredaktion
Gewaltiges Interesse: Selbst das Fernsehen war bei der Abstimmung gegen die Offroad-Strecke im Niersteiner Haus der Gemeinde dabei. Vorne rechts Stadtbürgermeister Thomas Günther, daneben der Erste Beigeordnete Egid Rüger.
(Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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NIERSTEIN - Um Punkt 20 Uhr am Montagabend gingen im Haus der Gemeinde zu Nierstein 15 Hände hoch, kurz darauf neun. 15:9 für das Mischgebiet und gegen die Offroad-Strecke – der Showdown zum Jahrhundertprojekt Rhein-Selz-Park geriet am Ende zu einer klaren Sache. 15:9 – mit diesem Votum schlug der Stadtrat ein neues Kapitel in der Geschichte der früheren US-Kaserne auf. Viele weitere werden folgen, ihr Inhalt ist derzeit noch voller Fragezeichen.
Historische Dimension, gewaltiges Interesse
Das Interesse an der Entscheidung war der Bedeutung des Anlasses angemessen. Über 70 Zuhörer im Saal, Stadtbürgermeister Thomas Günther ließ zusätzliche Stühle heranschleppen. Kein Wunder, schließlich ging es um „eine ähnlich weitreichende Entscheidung wie vor 40 Jahren beim Baugebiet Rossberg“, bemühte Hans-Peter Hexemer (SPD) historische Dimensionen. Der FWG-Beigeordnete Jochen Schmitt sah gar eine der wichtigsten Weichenstellungen der letzten hundert Jahre. Große Worte.
Trotz der Schwere der Entscheidung und der Emotionalität des Themas lieferte sich der Rat einen betont sachlichen Schlagabtausch, bei dem beide Lager die hinlänglich bekannten Argumente austauschten. SPD, Gruppe NEU und FWG legten sich geschlossen für das Mischgebiet ins Zeug, in der CDU schieden sich die Geister, die Stadtspitze stimmte bis auf Schmitt geschlossen für Offroad light. Am Ende verlief also alles in vermuteten Bahnen.
Kurz sah es indes so aus, als nehme der Abend einen unvorhergesehenen Verlauf, als würde die seit Jahren heftig diskutierte Streitfrage Offroad-Strecke erneut vertagt. Der Erste Beigeordnete Egid Rüger (CDU) regte an, den Bebauungsplan zu trennen, mit dem übrigen Gelände umgehend fortzufahren und die Sonderfläche Offroad oder Mischgebiet später ergebnisoffen zu diskutieren. Um die Tagesordnung entsprechend zu ändern, hätten Günther und Rüger eine Zwei-Drittel-Mehrheit gebraucht – ein aussichtsloses Unterfangen. „Das tragen wir nicht mit“, machte SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Frank sofort klar. Die große Chance, die ungeliebte Offroad-Strecke endlich mit Hilfe von Teilen der Union loszuwerden, wollte sich die Opposition nicht nehmen lassen.
Frank wähnte die Mehrheit der Bevölkerung im Pro-Mischgebiet-Lager: „Es gibt eine klare Abneigung der Politik und der Bevölkerung gegen Offroad light.“ Weil der Ortsbeirat Schwabsburg einstimmig für das Mischgebiet votiert hatte, solle man sich dem anschließen. Auch Franks CDU-Kollege Michael Günther erklärte, beim parteiinternen Meinungsumschwung pro Mischgebiet habe die Resonanz aus der Stadt eine gewichtige Rolle gespielt. Die Gruppe NEU war schon immer gegen die Offroad-Strecke gewesen, „weil wir sie für eine große Belastung halten“, so Fraktionssprecher Thomas Gehring. Auch Jochen Schmitt positionierte seine FWG glasklar: „Wir sehen im Mischgebiet größere Zukunftschancen, auch wenn es zunächst Probleme geben könnte.“
Günther warnt und rechnet, doch am Ende vergeblich
Auf diese Probleme wies Stadtchef Günther mehrfach hin, zum Beispiel auf mögliche Schadenersatzforderungen von Investor Wolfram Richter und/oder den Geldgebern des arabischen Ferienresorts. Ebenso auf finanzielle Verluste: Im Haushalt 2019 werde durch fehlende Erschließungseinnahmen aus einem Plus von 375 000 Euro ein Minus von 272 000 Euro. „Es ist meine Pflicht, auf diese Gefahren hinzuweisen“, erklärte Günther, ebenso wie auf den drohenden Verlust von Fördergeld für die Sporthalle.
Der Baurechtsexperte Curt Jeromin, der für den Schwabsburger Klaus Schmitt den alten Bebauungsplan erfolgreich weggeklagt hatte, meinte indes: „Aus einer fehlgeschlagenen Planung können keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Das hat der Bundesgerichtshof schon geklärt.“ Allenfalls auf Zivilrechts-Ebene gebe es möglicherweise Ansprüche an die Rhein-Selz-Park GmbH, an der Nierstein und die Verbandsgemeinde Rhein-Selz beteiligt sind. Dies könne er ohne genaue Kenntnis der Verträge aber nicht bewerten.
Neben Jeromin sitzend, verfolgte Kläger Klaus Schmitt die Debatte und durfte am Ende jubilieren: „Es war ein zweieinhalb Jahre währender Kampf, der heute ein Ergebnis gefunden hat, wie es die Bürger in der Initiative gewollt haben.“ Es war aber auch ein langer Streit, „der Stress verursacht und Narben hinterlassen hat“, wie Gehring sagte. So berichteten Michael Günther und Jochen Schmitt von Anfeindungen aus der Bevölkerung gegen einzelne Ratsmitglieder. „Das finde ich ungehörig, das sollte ein Tabu sein“, klagte Jochen Schmitt. Fazit: Die Folgen dieses 11. Februar 2019 werden Nierstein und Schwabsburg noch lange beschäftigen. In jeder Hinsicht.