Inszenierung von Götz von Berlichingen in Schwabsburg
Das „Theater in der Provinz“ entführt das Publikum in Smeissers Scheune mit der Mundartkomödie „Ein Ritter – Götz von Berlichingen“ in die Zeit edler Ritter und mächtiger Fürsten.
Von Fred Balz
Das Ensemble tauscht die Burg gegen eine Bretterwand und redet lieber in Mundart: Isabel Baumann (v.l.), Dirk Loomans, Luise Thüne und Spezialgast Jan Metzler.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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SCHWABSBURG - Ein Zitat des renitenten Ritters Götz von Berlichingen kennt jeder. Es scheiden sich nur die Geister, ob es am A… oder im A… lecken heißt. Kein Wunder, dass das Theater in der Provinz „T.I.P.“ in Smeissers ausverkaufter Schwabsburger Scheune die Szene in größter Deutlichkeit vorm heiter gestimmten Publikum ausmalt. Seine Version des „Götz von Berlichingen“ von Goethe (1773) ist weder textgenau noch politisch korrekt.
Regisseurin und Hauptdarstellerin Marie Luise Thüne hat mächtig am Heldendrama des Sturm und Drang geschraubt. Gekürzt und umgeschrieben hat sie aus der Tragödie eine kunterbunte Mundartkomödie für vier Schauspieler gemacht. Budget, Bühne und Ausstattung sind aufs Notwendigste reduziert. Vier Darsteller und zwei Statisten aus dem Publikum verkörpern 80 Rollen des Originals. Die Burg ist eine Bretterwand, der Wald besteht aus mickrigen selbst gezimmerten Bäumchen und das (Stecken)Pferd ist eigentlich Kinderspielzeug.
Zur Erinnerung an Goethes Original: Götz rechte Hand wurde durch eine eiserne Faust ersetzt. Die Fürsten hassen den freien Ritter der einfachen Leute. Frau Elisabeth unterstützt ihn, Schwester Maria ängstigt sein Mut. Götz lebt in Fehde mit dem Bischof von Bamberg und bringt Gefolgsmann Adelbert von Weislingen als Gefangenen auf seine Burg. Es gelingt ihm, den Jugendfreund zurückzugewinnen. Weislingen und Maria verlieben sich. Der muss zurück an den Hof von Bamberg, wird von Adelheid verführt, die ihn verachtet und später vergiftet. Nachdem Götz erneut Kaufleute überfallen hat, wird er vom Reichsheer verfolgt. Maria ehelicht Franz von Sickingen und beide können fliehen. Götz wird eingekerkert, kann aber mithilfe von Sickingen freikommen und zieht sich auf seine Burg zurück. Von den Bauern ermuntert engagiert er sich für ihre Sache, wird verletzt und stirbt am Ende in den Armen seiner Frau Elisabeth mit den Worten „Es lebe die Freiheit“.
Komik entsteht durch volkstümliche Sprache
Marie Luise Thüne hat die Handlung kurzerhand nach Rheinhessen verlagert, aus dem Kaiserheer wird die Ranzengarde und man redet in Mundart Klartext. Der Handlungsrahmen ist voll da, wenn auch oft nur in Ansagen und Rückblenden. Benutzt wird der gestraffte und ins rheinhessische übersetzte Originaltext. Komik entsteht sowohl aus der volkstümlich deftigen Sprache, den schrillen wechselnden Protagonisten und ihren Kabbeleien und Missverständnissen. Der von Hans-Uwe Klügel heldenhaft verkörperte Götz ist menschlichen Genüssen keineswegs abgeneigt, hat einen Ochsenhunger, Mordsdurst (nach Rheinhessenwein) und zeigt sich zur Musik von „Je t‘aime“ als heißblütiger Liebhaber und ungestümer Kämpfer für die gerechte Sache. Marie Luise Thüne ist eine barocke ebenso impulsive wie resolute und wortgewaltige Gattin Elisabeth. Svenja Isabel Neumann spielt die junge unschuldige Maria, schlüpft aber auch geschickt in Männerfiguren. Und Dirk Loomans ist mit Körperumfang und Wankelmütigkeit der perfekte Kaiser, Bischof und in seiner Paraderolle der Verräter Weislingen. Echte Männer treffen auf falsche Frauen.
Klügel brilliert in einer Travestienummer mit Bart in Frauenkleidern. Der Bischof meldet sich per Telefon. Götz trägt eine elektronische Handfessel. Mary Poppins (mutig: Marie-Luise Thüne) kommt als vermeintliche Retterin vom Himmel geschwebt und die Gaststatisten Jan Metzler (CDU-Politiker) und Susa Freiburger fügen sich als Räte bestens ins Ensemble ein. Der heimliche Star des Abends ist aber das Ambiente: Die tolle Guckkastenbühne und die rustikale Scheune, für die man in Zukunft mehr Parkflächen zur Verfügung stellen sollte.