Mit codierten Songtexten überbrachten die Sklaven im Amerika des 17. Jahrhunderts ihre Botschaften. Soziologin Eva Busching erklärte den Zuhörern die Entstehung dieser Texte. Foto: hbz/Michael Bahr
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NIERSTEIN - Die Niersteiner Veranstaltungsreihe „Kultur um 8“ war wieder zu Gast im Weingut Jung in Schwabsburg. Die Soziologin, Autorin und Musikerin Eva Busching nahm die Zuhörer mit hinein in die Hintergründe der Entstehungsgeschichte der für uns heute als begeisternd wahrgenommenen und vielfach praktizierten Musikrichtung der Gospels und Spirituals.
Aber wie fing alles an? Der Anfang geht einher mit vielfältigen historischen Fehlentwicklungen und Katastrophen. Das Zusammenspiel von Kolonisation, Verschleppung, Sklavenhandel, Ausbeutung, korrupten Eliten aus den eigenen Reihen, führte zu einer dramatischen Gemengelage.
Zwangsarbeiter auf Tabak- und Baumwollplantagen
Anfang des 17. Jahrhunderts trafen die ersten aus Afrika verschleppten Sklaven im US-Bundesstaat Virginia ein. Die Zwangsarbeit auf den großen Tabak- und Baumwollplantagen war hart, kleinste Vergehen wurden brutal geahndet. Der christliche Glaube in der weißen Bevölkerung erklärt die Skrupel, Christen als Sklaven zu halten und die Notwendigkeit diese durch Nichtchristen zu ersetzen. Das Desinteresse, diese Menschen zu missionieren, versteht sich somit von selbst. Die weiße Oberschicht half sich durch ein Gesetz von 1667, indem sie festlegte, dass mit dem Übertritt zum Christentum sich nichts an der „sozialen Stellung“ des Sklaven änderte.
NÄCHSTER TERMIN
Dienstag, 18. April: Das Leben mehr als ein Märchen… Die Welt des Hans Christian Andersen, im Weingut St. Urbanshof.
Der Widerstand gegen die unmenschliche Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerung in Amerika führte zu 130 bewaffneten Aufständen der Sklaven. Die Anstrengungen, der Sklaverei zu entfliehen, führten zum Entstehen einer Geheimsprache mit versteckten Codes, die auch in den von uns heute gesungenen Spiritualtexten enthalten sind. Eine religiös codierte Sprache mit Informationen, die helfen sollten, sich aus der Zwangslage zu befreien.
Einige Beispiele: Gebiete ohne Sklaverei wurden umschrieben mit „The Promised Land“, „My Home“ oder „Sweet Canaan“. Diese Gebiete lagen nördlich des Ohio River. Code: „Jordan“. Um die Hunde der Verfolger abzuschütteln, wateten die Flüchtlinge durch des Wasser – Code: „Wade in the Water“. Die Aufforderung zur Flucht artikulierte sich in „Steal Away“. Eine spannende Tatsache verbindet sich mit „Swing Low, Sweet Chariot“. „Chariot“ steht für das Sternbild des Großen Wagens. Seine Position wies den Weg nach Norden und deutete auf einen günstigen Fluchtzeitpunkt hin.
„Go down Moses“: „Moses“ war der Codename der geflohenen Sklavin und späteren Fluchthelferin Harriet Tubman.
Eva Busching verstand es, lebendig und bildhaft den Hintergrund und den Gegensatz zwischen dem Drama der Sklaverei und der uns heute zur Verfügung stehenden wunderbaren und kraftvollen Musik zu vermitteln.
Die zahlreichen Einspielungen seltener Aufnahmen vermittelten ein lebendiges Bild der musikalischen Vielfalt: Berührende Soli, Balladen, virtuose Gesänge mit Ruf und Antwort, freie Improvisation, glutvolle Drives.