Kabarettist Walter Rothschild gewährt im Guntersblumer Museumskeller unterhaltsame Einblicke in die jüdische Welt
Von Fred Balz
Hut und Anzug zeigen den Rabbiner, die Krawatte verweist auf das Geburtsland Großbritannien. Walter Rothschild unterhielt das Publikum im Guntersblumer Museumskeller im Rahmen einer musikalischen Lesung samt Kabarett mit viel jüdischem Witz und einer guten Portion schwarzem britischen Humor. Foto: hbz/Michael Bahr
( Foto: hbz/Michael Bahr)
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GUNTERSBLUM - Dieser Rabbiner ist zum Schreien komisch und provoziert nicht nur jüdische Gemeinden mit ketzerischen Gedanken zum orthodoxen Judentum. Der gebürtige Engländer Walter Rothschild ist Entertainer, Sänger, Schauspieler und nicht zuletzt gläubiger Jude mit allzu menschlichen Schwächen. Dabei fällt ihm Trinken (Spirituosen), Lästern (über Gott und die Welt) und Zweifeln (Ja, aber?) leichter als der missionarische Eifer, Menschen zum Glauben zu bekehren.
Zusammen mit seinem Pianisten und Stichwortgeber Max Doehlemann gab er im ausverkauften Guntersblumer Museumskeller eine musikalische Lesung samt Kabarettprogramm, das die Lachmuskeln strapazierte und zum Nachdenken verführte.
Ein Leben mit Brüchen und Veränderungen
Auf der Kleinkunstbühne erzählt er die Geschichte seines prallen Lebens mit zahlreichen Brüchen und Veränderungen. Der Vater musste 1939 nach Bradford in England auswandern. Zur Schulzeit im Internat meint er frivol: „Uns fehlte die Hermine. Wir hatten nur Hormone“. Und später zum Beschneidungstrauma: „Wir Juden haben einen Vorteil, indem wir das Vor-Teil nicht mehr haben“ und begründet das mit Kinderreichtum.
Seine Begeisterung für Dampfloks ließ ihn zunächst Eisenbahner werden, darunter ein halbes Jahr im Rangierbahnhof Hamburg-Harburg, wo er mit Jugoslawen, Griechen und Türken zusammen im Bundesbahnwohnheim lebte. In Cambridge promovierte er schließlich über das „Eisenbahnwesen in Palästina“. Aus seinem umfangreichen Eisenbahnzyklus singt Rabbi Rothschild „Die Winterbahnreise“ (nach Schubert) und seine Stuttgart-21-Version von „Auf der schwäbsche Eisenbahne“. Um seine Familie mit drei Kindern zu ernähren, brauchte er natürlich einen Brotberuf. Den fand er als Religionslehrer, allerdings nur als Schwangerschaftsvertretung in einer Grundschule mit Problemschülern. Er singt sein „Schülerlied auf die 8b“ – seine schlimmste Klasse – mit reichlich Dissonanzen. So kam ihm das Stipendium zum Rabbiner nach einem Jahr als Religionslehrer gerade recht.
Vortrag gewürzt mit britischem Humor
„Wir Juden hatten das Alte Testament, als es noch neu war“ und „Jüdisches Blut ist Jesus negativ“: Trotz seines tiefschwarzen britischen Humors war er elf Jahre Reformrabbiner in Leeds. Doch oft brachte er seine Kirche gegen sich auf, und so wurde er Gelegenheits- und Wanderrabbiner. Diese Wanderschaft führte ihn durch ganz England bis zu den holländischen Antillen, wo er im Bungalow neben der Synagoge wohnte. Seit 1998 lebt er nun in Deutschland, wo er zehn Jahren als Landesrabbiner von Schleswig-Holstein tätig war. Auch in Berlin, wo er tätlich angegriffen wurde, und in Wien war er tätig. Die Mizwot (613 jüdische Vorschriften) wie Beschneidung und koschere Speisegesetze nimmt er humorvoll auf die Schippe. Die Zukunft des Judentums sieht er skeptisch als Glaube mit beschränkter Hoffnung.
Der jüdische Humor ist nicht unterzukriegen. Museumswärter und Nachlassverwalter eines verstaubten Judentums will er nicht sein.