Die in Dienheim lebende Künstlerin erhält in Kürze den 42. Kunstpreis der Sparkasse Karlsruhe. Ein Ateliersbesuch.
Von Kirsten Strasser
Reporterin Rheinhessen
Seit vielen Jahren arbeitet Susanne Mull – hier in ihrem Atelier an der Staffelei – mit Pastellfarben.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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DIENHEIM - Drei Frauen, unterschiedlich alt, sitzen – ja, worauf eigentlich? Stühlen im Vorraum eines Hotels? Einer Wartebank im Bahnhof? Tja. Gehören sie zusammen, oder hockt da jede für sich? Und was tun sie überhaupt? Nur eine, vielleicht die Älteste, liest in einem Buch; es ist die Bibel, wird bei genauem Hinsehen deutlich. Die Frau zu ihrer Linken starrt ins Tablet, die andere, das Handy in der Hand, in die Ferne. Oder ins Leere? Oder in eine Zukunft?
„Das Schöne ist, dass das Bild jede Menge Interpretationsspielraum bietet“, schmunzelt Susanne Mull. Sie hat es erschaffen, im vergangenen Jahr, und sie hat ihm den Titel „Drei Frauen“ gegeben. Nun wird das Werk geadelt: Für das Gemälde wird Susanne Mull am Freitag mit dem 42. Kunstpreis der Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe ausgezeichnet, der dieses Mal unter dem Titel „Unterwegs – wohin?“ steht. Die Auszeichnung ist mit 5 000 Euro dotiert, vor allem gilt sie aber als renommierter Preis, der international Beachtung findet; 660 Künstler hatten sich in diesem Jahr beworben. Sie alle konnten Susanne Mull und ihren „Drei Frauen“ keine Konkurrenz machen.
Das Bild ist freilich nicht nur in den Augen der hochrangig besetzen Jury etwas Besonderes – sondern auch für die Erschafferin selbst. „Es ist eine Hommage an die ,Drei Frauen in der Kirche‘, die der Maler Wilhelm Leibl einst erschaffen hat“, erzählt Susanne Mull, die als freischaffende Bildende Künstlerin in Dienheim wohnt. „Ich habe es in einer Ausstellung gesehen, es hat mich berührt und über Jahre begleitet.“ Bis sie dann ihr eigenes Bild von drei Frauen schuf. In dem sie Leibl sozusagen „zitiert“, in dem aber auch jede Menge „Susanne Mull“ steckt. „Wie überhaupt in jedem meiner Bilder, ob nun Landschafts- oder Portraitmalerei, etwas von mir drin ist.“
Während der alte Leibl seine drei Damen auf der Kirchenbank in Öl malte, brachte Susanne Mull, die sich ebenfalls dem Realismus verschrieben hat, ihre Frauen in ihrer Technik auf die Leinwand: Die Pastellmalerei ist ihr Metier. Entdeckt hat sie sie für sich vor 13 Jahren, im Rahmen eines Ausbildungskurses. Als sie die Pastellsticks in Händen hielt, „da ist etwas mit mir passiert“, erzählt sie: „Da wusste ich – das passt zu mir.“ Sie braucht keine Werkzeuge, keine Pinsel; „zwischen der Leinwand und meiner Hand ist nur die Farbe“.
Susanne Mull, die mit ihrem Partner Dietmar Gross seit einigen Jahren in Dienheim lebt, gehört zu dem überschaubaren Kreis von Bildenden Künstlern, die von ihrer Kunst auch leben können. Sie ist Autodidaktin, die ihre Technik erst recht spät in Ausbildungen entdeckt und verfeinert hat. Heute malt sie nicht nur selbst, sondern gibt ihr Können und ihr Wissen auch weiter. Sie unterrichtet unter anderem an der Rheinhessen Akademie. „Eine schöne Abwechslung zur eher einsamen Arbeit im Atelier“, lacht sie. „Und es macht Freude, zu sehen, wie andere Menschen ihr Talent entwickeln.“
Weiterentwicklung, Aufbruch – Themen, die Susanne Mull, Jahrgang 1967, auch ganz persönlich beschäftigen. Im und fürs Jubiläumsjahr „200 Jahre Rheinhessen“ beschäftigte sich die gebürtige Hannoveranerin intensiv mit ihrer Wahlheimat, bestückte mehrere große Ausstellungen, Mulls Bilder waren in Mainz und Berlin zu sehen. Derzeit widmet sich Susanne Mull mit Vorliebe der Architektur – „gerade auch der modernen, nicht immer unumstrittenen, manchmal auch unfertigen“, erzählt sie. Inspirationsquelle war dafür zum Beispiel Ingelheim; die Künstlerin lebte viele Jahre in der Rotweinstadt, bekam die Veränderungen der „Neuen Mitte“ mit, hielt sie auf Leinwand fest: „Mitte(n) im Aufbruch“.
Wichtig ist ihr der Austausch mit anderen Künstlerin, dafür engagiert sie sich – als Mitglied im Künstlersonderbund für Realismus in Berlin, aber auch hier, vor Ort, im Kunstverein Eisenturm in Mainz, im Kunstverein Ingelheim. Und jetzt, spätestens Freitag, werden auch die Karlsruher sie kennenlernen. Bei der verdienten Preisverleihung.