Student kämpft gegen die extremen politischen Ränder
27-jähriger Student aus Dexheim ist sich sicher: Die liberalen Parteien und ihr Aktionismus sind schuld, dass die Gesellschaft an die politischen Ränder driftet. Er kämpft für die Mitte.
Von Pascal Schmitt
Volontär
Christian Bachmann beschäftigt sich mit der Frage, was in der Politik falsch läuft. Sein Ergebnis: so einiges.
(Foto: Christian Bachmann)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
DEXHEIM - „Wenn das Boot nach links zu kentern droht, lehne ich mich automatisch nach rechts. Und umgekehrt.“ Christian Bachmann ist ein Mensch des Gleichgewichts. Erst recht, wenn es um die Politik geht. Von dem Zitat Thomas Manns fühlt sich der Dexheimer optimal getroffen. Seit 2015 macht sich der 27-Jährige stark gegen Schwarz und Weiß. Werenoli heißt sein Polit-Blog, der sich gegen Schubladendenken und gegen Vorverurteilungen ausspricht. Er fordert mehr Kritik. Mehr Diskurs. Und dadurch mehr Demokratie. Eine Auffassung, die auch bei Bundestagspräsident Norbert Lammert auf offene Ohren stößt. In einer Bundestagsrede zitiert er den Dexheimer.
„Wir dürfen den vermeintlich Schlechteren nicht das Feld überlassen.“ In dieser Aussage kommen Lammert und Bachmann überein. Doch wie erreicht man das in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet? In der es in der Politik nur noch Maximalforderungen gibt? In der an Kompromissen keiner mehr Interesse zu haben scheint? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen? Christian Bachmann hat das in seiner Abschlussarbeit im Rahmen seines Medien- und Kommunikationsstudiums an der Universität Augsburg am Fall Chemnitz untersucht.
Seine Erkenntnis: Politik ist wie ein Auto. „Wer die kleineren Fehler nicht behebt, schwächt auf Dauer das System. Wer die Fehler behebt, stärkt es“, schließt Bachmann die Brücke zwischen großer Politik und dem Beispiel Auto. Dabei gefragt seien in erster Linie die „liberaleren Kräfte wie wir“, sagt Bachmann.
ZUR SERIE
Klimawandel, Populismus, Unrecht – immer mehr Menschen jedes Alters reiben sich an Themen und stehen auf. Ob Protestmarsch, Demo oder der Einwand vom Schreibtisch – in der Serie Protest fragen wir nach den Hintergründen und wollen wissen: Was bewegt die Menschen zum Aufstehen?
Er ist überzeugt: In der Politik läuft einiges falsch. Dass der Zulauf etwa zur AfD so groß sei, daran seien vor allem die anderen Parteien schuld. Weil keiner mehr bereit sei, Probleme klar anzusprechen. Auch wenn das bedeute, sowohl in der Partei als auch aus den Reihen der Wähler „Feuer zu bekommen“, wie der Student es formuliert.
Fall Chemnitz: Ein Chemnitzer wird von zwei Tatverdächtigen erstochen. Einer der Beiden hätte eigentlich längst abgeschoben sein müssen. Die AfD schlachtet diesen Umstand aus. Kritisiert die Flüchtlingspolitik. Initiativen wie „Pro Chemnitz“ und Pegida rufen zu Demonstrationen auf. Tausende Folgen.
Darunter nicht nur Rechtsextreme, glaubt Bachmann. Sondern auch Menschen, die eigentlich nur etwas gegen den Fehler in der Flüchtlingspolitik haben. Menschen, die sich die Frage stellten, wie jemand, der nicht mehr im Land hätte sein dürfen, mutmaßlich zum Straftäter in Deutschland werden kann. Und die sich an den Enden der Demonstrationszüge der Radikalen gruppieren, weil die anderen Parteien diesen Fehler eben nicht thematisierten, glaubt der Dexheimer. Dass der Diskurs auf den Profilen der liberalen Parteien nicht geführt wurde, hat Bachmann in seiner wissenschaftlichen Arbeit festgestellt. Im Fokus standen dort hingegen die Pauschalisierungen. Die Instrumentalisierungen und der „Ruck nach rechts“. Für Bachmann ist das Öl ins Feuer gegossen.
Und doch: Nur negativ sieht Bachmann die aktuelle Entwicklung nicht. „Wenn die Polarisierung etwas Gutes hatte, dann, dass die Leute sich wieder für Themen interessieren“, sagt der Wahl-Augsburger. Nun seien eben die liberalen Kräfte gefragt, mit einer anderen Art von Politik dafür zu sorgen, dass etwas Gutes entstehen kann und die Aufspaltung der Gesellschaft hin zu den Rändern nicht weiter fortschreitet. Er selbst will wenn nur überparteilich mitmischen und seinen Teil dazu beitragen. Einer Partei beitreten, um das Ziel umzusetzen, sei für ihn keine Option. Weil er sich mit keiner der Parteien identifizieren könne, sagt er. Stattdessen würde er gerne aus einer nicht-staatlichen Organisation für sein Ziel kämpfen.
Was muss passieren? Laut dem Studenten müsse es normal sein, Missstände zu kritisieren. Selbst dann, wenn die Kritik der eigenen Grundhaltung widerspricht. Die Folge wäre ein Diskurs, bei dem die Wähler spüren, dass ihre Kritik ernstgenommen werde. Etwas, das nicht nur auf den Fall Chemnitz zutreffe, findet der Dexheimer. Denn egal ob Klimapolitik oder Wohnungsbau – in der Politik herrsche der blanke Aktionismus. Entweder ganz oder gar nicht. Mit der Folge, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren würden, sagt Bachmann. „Wenn sich die Menschen von der Demokratie nicht repräsentiert fühlen, dann schützen sie die Demokratie auch nicht.“ Und genau das treibe die Menschen an die politischen Ränder.