Bescheidener und kleiner sowie mit weniger Ehrungen gestaltete sich das Event – ein ziemlicher Paradigmenwechsel zu den früheren großen Sausen in der Landskronhalle.
Von Ulrich Gerecke
Redaktionsleiter Lokalredaktion Oppenheim
Gruppenbild mit Damen (von links): Ehrenringträger Marco Becker mit Lebensgefährtin Corinna Karren, der Erste Beigeordnete Rainer Ebling, Stadtbürgermeister Walter Jertz, Zweite Beigeordnete Susanne Pohl, Stadtsiegelträger Volkhart Rudert mit Gattin Darina.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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OPPENHEIM - Am Ende kamen die Sternsinger und erzählten stolz, dass sie 8700 Euro gesammelt haben. Das Geld täte der Oppenheimer Stadtkasse sicher gut, aber lieber spart man, auch beim Neujahrsempfang. Bescheidener, kleiner und unaufgeregter sollte das erste Event dieser Art unter dem neuen Stadtbürgermeister Walter Jertz werden. Der Abschlussauftritt der kleinen Spendensammler war fast das Einzige, was noch an die Sausen in der Landskronhalle unter Jertz’ Vorgänger Marcus Held erinnerte.
„Man kommt sich ja näher in so einem kleinen Kreis“, scherzte Jertz mit Blick auf den proppevollen Meriansaal im Rathaus, wo die Gäste kuschelig beinander standen. Auch die Marathon-Ehrungen von einst waren passé. „Inflationäre Vergaben entwerten Auszeichnungen, das Stadtsiegel soll seinen alten Stellenwert wieder bekommen“, predigte Jertz – nicht sein einziger Seitenhieb auf vergangene Zeiten.
Das einzige Siegel bekam diesmal Volkhart Rudert, Gründer, Kopf und Motor des Vereins „Lilofee“, der in Oppenheim in Sachen Umwelt, Grün und Natur Einiges bewegt und noch mehr vor hat. „Wir sind noch klein, aber wir werden mehr“, sagte Rudert, dessen Team für 2019 einen neuen Trimm-Dich-Pfad im Wäldchen, eine Aufhübschung des Aufgangs vom Uhrturm zum Ruprechtsturm und die Entwicklung des Paradieses auf dem Schirm hat.
BEGLEITMUSIK
Für den Rahmen sorgten junge Musiker des Katharinengymnasiums unter der Leitung von Vera Waßmann, Sepp Glaninger und die Fahnenschwinger.
Noch mehr Symbolgehalt für den politischen Neuanfang nach einem „turbulenten Jahr“ (Jertz) hatte die zweite Ehrung: der Ehrenring für Marco Becker (CDU), der sich im Sommer nach 15 Jahren aus dem Stadtrat zurückzieht. Der Landesrechnungshof hatte Held unter anderem wegen dieser über 2000 Euro teuren Ehrengabe kritisiert, sie wurde zum Sinnbild Oppenheimer Verschwendung. Jetzt gibt es eine finanzielle Obergrenze, Becker beteiligte sich selbst an der Anschaffung der kostengünstigeren Alternative. „Wenn man heiratet, zahlt ja auch nicht die Kirche die Ringe, sondern man selbst“, schmunzelte Jertz.
Stadtsiegel für Rudert, Ehrenring für Becker
Ganz ernsthaft pries er Becker als „fairen und zielgerichteten Gesprächspartner“. Der Geehrte sprach von einem „perfekten Zeitpunkt“ für seinen Abschied, jetzt wo es aufgehe zu neuen Ufern. Seine zentrale Botschaft an die Wähler klang versöhnlich: „Es sitzen immer noch viele im Stadtrat, die Ihre Interessen ehrlich und offen verfolgen.“
Damit nahm Becker den Grundton von Jertz’ Statement zur „Lage der Nation“ auf, das dieser zwar mit dem gewichtigen Zitat „Ich habe einen Traum“ einleitete, aber bodenständig fortführte. Statt die Ehrengästeliste herunterzubeten, dankte er zuerst seinen Mitarbeitern, „ohne die ich nicht funktionieren könnte.“ Dann spielte der Stadtchef auf der kompletten Klaviatur. Zuerst Bescheidenheit, fast Demut: „Wir hoffen, wir haben zumindest den Einstieg in etwas Neues geschafft. Es geht nicht um mich, sondern um uns.“ Dann ein Schuss Selbstironie beim Rückblick, als Jertz seinen „gewöhnungsbedürftigen Gesang“ beim Martinsumzug erwähnte und als Besserung gelobte, bei Sepp Glaninger Unterricht zu nehmen.
Dann aber auch klare Kante und etwas Wahlkampf: „Mein Herzenswunsch ist, dass die künftige Zusammensetzung des Oppenheimer Stadtrates nach der Wahl die erkennbaren Interessenunterschiede zum früheren System deutlich widerspiegelt.“ Und dann noch ein paar Seitenhiebe: Dass Marc Sittig vom Amt des SPD-Fraktionschefs zurückgetreten und Teil einer neuen Gruppe sei, wisse er offiziell noch nicht, nur aus der AZ. „Aber das ist nur eine kleine Lappalie“, grinste Jertz. Heiterkeit im Saal.
Inhaltlich blieb der Stadtbürgermeister, der für 2019 auf den Abschluss der Krämereck-Erschließung hofft, auf seiner bekannten Linie: „Weiter konsequentes Sparverhalten, aber Erhalt der Attraktivität der Stadt.“ Von den Sternsingern will und braucht Oppenheim also nichts.