Die Spitze der Oppenheimer Wohnungsbaugenossenschaft hat dementiert, vor der Mitgliederversammlung Werber loszuschicken. Mieter und Anteilseigner berichten der AZ nun etwas ganz Anderes.
Von Ulrich Gerecke
Reporter Politikredaktion
Montage: vrm/lsr
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OPPENHEIM - Das Treffen findet in aller Heimlichkeit statt, in einer GWG-Wohnung. Die Gesprächspartner wollen ihre Namen nicht in der Zeitung lesen, das ältere Ehepaar und ihr erwachsenes Kind haben Angst vor Repressalien. Was sie sagen, wirft allerdings kein gutes Licht auf die Führungsspitze der Wohnungsbaugenossenschaft GWG, deren Mitglieder sich am Montag, 18 Uhr, in der Emondshalle treffen und auch über die Zukunft von Aufsichtsrat und Vorstand abstimmen werden.
Vor zwei Tagen hatte GWG-Vorstand Helmut Krethe in der AZ erklärt, er und seine Kollegen hätten keine GWG-Mitarbeiter zu Mietern oder Anteilseignern geschickt, um Vollmachten einzutreiben oder Unterstützung zu sammeln. Was das alte Ehepaar sagt, lässt zumindest massive Zweifel an Krethes Darstellung aufkommen.
Wie die beiden Senioren schildern, habe vergangene Woche ein Regiehandwerker der GWG (auch dessen Name ist der AZ bekannt) geklingelt und um eine Unterschrift auf einer Liste gebeten, auf der das offizielle GWG-Logo prangte. „Wir haben nichts unterschrieben“, betonen beide. Der Handwerker sei freundlich aufgetreten. Er habe nur angekündigt, er werde noch einen anderen Mieter im selben Haus aufsuchen – ebenfalls eine ältere Person. „Er hat gesagt: Ich gehe nur zu Personen, die zu uns Vertrauen haben“, schildert die Ehefrau. Und ihr Mann ergänzt: „Er sagte: Die da oben wollen uns die Arbeit wegnehmen.“
Stadtbürgermeister Walter Jertz unterstützt die Schultze-Gruppe. Archivfoto: Stadt Oppenheim
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Mit „die da oben“ war offensichtlich das Rathaus gemeint. Stadtbürgermeister Walter Jertz ist erklärter Unterstützer der Gruppe um Norbert Schultze, die die Abwahl der GWG-Gremien fordert (die AZ berichtete/siehe Kasten rechts). Schultze hatte zuletzt geklagt, die GWG-Spitze schüre mit solchen Aktionen, wie sie das Ehepaar schildert, ein Klima der Angst und verbreite Unwahrheiten über ihn und seine Mitstreiter.
Bleibt die Frage: Handelte der Regiehandwerker auf eigene Faust oder im Auftrag? Warum tat er das mit offiziellem GWG-Briefkopf? Und zu welchem Zweck wurden die Unterschriften gesammelt? Das Ehepaar kann darauf keine Antwort geben. Ihr Kind allerdings, das am Montag zur Versammlung geht, ist bedient und will mit der Schultze-Gruppe stimmen. Die Person sagt, sie habe sich schon über den Nebenkosten-Nachschlag von fast 500 Euro und die angekündigte monatliche Erhöhung von 25 auf 60 Euro geärgert: „Für’s Kehren und Mülltonnenrausstellen müssen 25 Euro im Monat reichen.“
FLAMMENDER APPELL VON WALTER JERTZ
Im Vorfeld der Mitgliederversammlung äußerte auch Stadtbürgermeister Walter Jertz (parteilos) große Sorge um die GWG: „Mir als Bürgermeister liegt nicht nur die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum am Herzen. Vielmehr ist es die Entwirrung undurchsichtiger Verflechtungen innerhalb der Stadt und die damit verbundene Befriedung unseres Oppenheims.“
„Ich habe große Sorge, dass durch die Insolvenz der HGO deren Mutter GWG in Mitleidenschaft gezogen wird“, sagte Jertz. „Es stellt sich die Frage, wer aus dem Gremium derjenigen, die das alles mitgetragen haben, immer noch Verantwortung trägt – allen voran der jetzt noch amtierende Aufsichtsrat und Teile des Vorstandes. Diese Damen und Herren haben wohl noch nicht verstanden, dass sie auch in persönliche Haftung genommen werden können.“
Mit einem Posting auf Facebook hatte sich Norbert Schultze im Hinblick auf „augenscheinliche Praktiken zur Erlangung von Stimmrechtsvollmachten durch GWG-Mitarbeiter“ Luft gemacht. Jertz unterstützt das Ansinnen von Schultze und seinen Mitstreitern, Aufsichtsrat und Vorstand abzuwählen. „Schluss mit dem Schüren von Ängsten vor Erneuerung und Zukunftsfähigkeit“, fordert Jertz. „Die Anteilseigner haben es am 22. Oktober selbst in der Hand, sich und allen Betroffenen einen Weg durch diesen Dschungel aus Intransparenz und unheilvollen Verquickungen zu bahnen.“