Der Reformator, vom Sockel geholt: Ausstellung „Luther im Bild“ in Katharinenkirche Oppenheim
Die Ausstellung „Luther im Bild“ ist nach dem großen Reformationsgottesdienst in der Oppenheimer Katharinenkirche eröffnet worden. Zu sehen sind Skizzen, Skulpturen und Büsten des Berliner Künstlers Harald Birck, der sich seit vielen Jahren mit Martin Luther auseinander setzt.
Von Kirsten Strasser
Reporterin Rheinhessen
Dem Reformator auf Augenhöhe begegnen – das ermöglicht die Schau „Luther im Bild“, die in der Katharinenkirche eröffnet wurde. Foto: hbz/Michael Bahr
( Foto: hbz/Michael Bahr)
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OPPENHEIM - Kein Stillstand, nirgends. Dieser Luther ist immer in Bewegung, in den Statuen sowieso, aber selbst als Büste – da scheinen seine Augen durch den großen Kirchenraum zu huschen, die (sorgenvollen?) Falten und Schatten auf Luthers vielen Gesichtern spielen ein reizvolles Spiel. Sogar „Der Tod“, ein schelmisches Kerlchen, das den Reformator womöglich gequält und geängstigt hat, ist ein Tänzer. Eine „Suchbewegung“ hat Kurator Andreas Pitz die künstlerische Arbeit gerade genannt, und dieser Ausdruck gefällt dem Künstler durchaus: Ja, er ist auf der Suche nach diesem Luther, immer noch.
Harald Birck ist hierzulande kein Unbekannter
„Luther im Bild“ heißt die Ausstellung, die nach dem großen Reformationsgottesdienst am Dienstagabend in der Katharinenkirche eröffnet wurde. Der Künstler: Harald Birck, in Oppenheim ist der Wahl-Berliner kein Unbekannter. 2009 war er mit seinen Büsten von Obdachlosen zu Gast hier in der Kirche, „ArMUTszeugnis“, hieß die Schau damals. Nun also, im Lutherjahr, der große Reformator.
Wie sah der eigentlich aus? Schwierig. „Die Darstellungen Lucas Cranachs haben sich in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt“, sagt Kurator Pitz, und wenn der alte Meister Luther auch persönlich kannte – interpretiert hat er ihn allemal. „Mir geht es auch gar nicht darum, Luther „möglichst richtig, möglichst echt“ nachzubilden“, betont Birck. Sein Anliegen: Luther in all seinen Facetten zu zeigen. Und den Reformator vom Sockel zu holen. „Aber im positiven Sinn, um eine Begegnung, eine Annäherung mit ihm möglich zu machen.“
Dem Reformator auf Augenhöhe begegnen – das ermöglicht die Schau „Luther im Bild“, die in der Katharinenkirche eröffnet wurde. Foto: hbz/Michael Bahr Foto: hbz/Michael Bahr
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Luther, der Mensch. Der ist es, der Harald Birck fasziniert und fesselt, und er „verwendet“ Menschen, um sich Luther zu nähern. „Ich habe eine Filzkappe nähen lassen, mir aus einem Berliner Kloster eine Mönchskutte besorgt“, erzählt der Künstler; dann ließ er Freunde, Verwandte, Leute, die er auf der Straße ansprach, Modell stehen. Auslöser für Bircks künstlerische Auseinandersetzung mit dem Reformator war übrigens eine Auftragsarbeit: eine über zwei Meter hohe Bronzestatue für das Lutherhotel in Wittenberg. Fremd sei Martin Luther ihm, dem Pastorensohn, aber nie gewesen, „Er war immer schon positiv für mich besetzt.“
ÖFFNUNGSZEITEN
Die Katharinenkirche ist vom 1. bis 26. November täglich nur in der Zeit von 11.30 bis 16 Uhr geöffnet. In dieser Zeit ist die Ausstellung „Luther im Bild“ des Berliner Künstlers Harald Birck mit Skizzen, Porträtstudien und Skulpturen zu Martin Luther zu besichtigen. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. Die Kirche steht während dieser Zeit selbstverständlich auch für alle offen, die zu Andacht und Gebet kommen möchten. Die Gottesdienste finden wie gewohnt statt. Der Kirchenvorstand bittet um Verständnis für die wegen der Aufsichtspflicht für die Ausstellung eingeschränkten Öffnungszeiten.
Bircks Wanderausstellung, die mit Texten prominenter Zeitgenossen wie Harald Martenstein oder Feridun Zaimoglu gespickt ist, hat vor Oppenheim einige Stationen gesehen, Trier etwa, Erfurt, Berlin. Sie verändert sich, immer wieder gibt es einen neuen Luther zu entdecken. Harald Birck ist noch nicht fertig mit ihm, „und mit der Lutterei!“. Manchmal, verrät er, wenn ihn seine Frau frage, was er über Tage so getrieben habe, antworte er: „Hab wieder geluttert.“
Gehörig „geluttert“ – der Ausdruck sei erlaubt – wurde freilich auch während des Reformationsgottesdienstes in der brechend vollen Katharinenkirche. Durch die Liturgie führten Dekan Michael Graebsch, die stellvertretende Dekanin Manuela Rimbach-Sator, Pfarrer Thomas Schwöbel und Stadtkirchenreferentin Magdalena Schäffer, die später auch die Ausstellung eröffnete. Der Dekanatschor und der Dekanatsposaunenchor sangen und spielten Lutherlieder, und natürlich stellte auch Dr. Klaus-Volker Schütz, Propst für Rheinhessen und das Nassauer Land, den Reformator in den Mittelpunkt seiner Predigt. Auch wenn er auf vielen Darstellungen eher grimmig schaue, sei das zentrale Lebensthema Luthers die Freude gewesen, betonte Schütz. Denn als einer, der Depressionen kannte, als einer, der geknechtet und von dem Gefühl geplagt war, niemals genügen zu können, habe er den Zuspruch Gottes erlebt: „Du bist mir recht, so wie du bist.“
Schütz wünschte den Gottesdienstbesuchern, das Geschenk dieser „Gnade, grundsätzlich geliebt zu sein“, annehmen zu können. Und er rief zu Toleranz für andere Konfessionen und Religionen auf. „Der Geist des christlichen Abendlandes, der Geist der Reformation ist ein Geist der vielen Farben und Sprachen.“