Brite David Briggs spielt Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 4 in Oppenheimer Katharinenkirche
Auf der Orgel klingt Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 4 urwüchsig und von gewaltiger Inbrunst. David Briggs spielte seine Bearbeitung in der Oppenheimer Katharinenkirche.
Von Manuel Wenda
Organist David Briggs (re.) und Sopranistin Flurina Stucki sprechen die Feinheiten ab.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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OPPENHEIM - In Gustav Mahlers Sinfonien wird hörbar, wie die über Jahrhunderte fortgeschrittene Entwicklung der deutsch-österreichischen Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihrem Ende entgegenging. Nach 1918 sollte nichts mehr sein wie zuvor. Seine Sinfonien schrieb Mahler für opulent besetzte Orchester, die vierte ist indes, zumindest für Mahlers Verhältnisse, ein wenig intimer und klassizistischer angelegt – in der Katharinenkirche war sie nun auf der Woehl-Orgel zu hören.
Nach Oppenheim gekommen war der Engländer David Briggs, der sowohl als Pianist als auch als Komponist in Erscheinung tritt. Zurzeit ist er Artist in Residence der Kathe-drale St. John the Divine in New York.
Seine Bearbeitung der 4. Sinfonie für Orgel und Sopransolo wirkte bisweilen wie eine Nachdichtung – bei aller Macht der Königin der Instrumente, ist es doch eine Herausforderung, den Geist einer Mahler-Sinfonie quasi im Alleingang einzufangen.
Zum Geleit erinnerte Kantor Ralf Bibiella an die Entstehungsgeschichte des Werks in Österreich: Am Attersee hatte Mahler ein Häuschen, er hob den Einfluss der pittoresken Umgebung auf seine Musik immer wieder hervor.
Bibiella schlug einen Bogen in die Katharinenkirche: Das rot-goldene Altarbild symbolisiere das irdische Leben in seiner Mühsal wie auch die „Himmlischen Freuden“, welche im Finale der Sinfonie zutage treten.
„Bedächtig. Nicht eilen“ ist der erste Satz überschrieben; Briggs war dessen eingedenk, dennoch wirkt die Musik auf der Orgel anders: Durchaus tänzerisch setzte sie ein, leise Register setzten feingliedrige Akzente. Urwüchsiger als von einem Orchester gespielt tönte die Sinfonie. Sie erreichte nicht nicht ganz dessen Präzision, war dafür von gewaltiger Inbrunst. Ein stürmisches Farbenmeer brach sich Bahn.
Die gespenstischen Andeutungen des zweiten Satzes gerieten überaus eindringlich – während es in der Kirche dunkler wurde, brachte Briggs burleske Bilder und Transparenz zueinander. Der wuchtige Klang der Orgel vermittelte diese eigenartige Symbiose auf unheimliche Weise.
Eine Versunkenheit wurde im dritten Satz erfahrbar, zart gestaltete Briggs den Einstieg. Ganz langsam nahm das Adagio seinen Lauf. Die leisen Schwingungen wurden auf der Orgel meditativ vermittelt, wenn auch freilich weniger nuancenreich als im Original – umso impulsiver wirkten die Umschwünge. Dann zog eine sich steigernde Dramatik auf, die immer stärker brodelte: Ein Wechselspiel aus Verzückung und Untergang.
Schwebend geriet der Eintritt in den vierten Satz, rasch erfüllte der Gesang der Sopranistin Flurina Stucki, die derzeit an der Deutschen Oper Berlin engagiert ist, die Kirche. Der Text von „Der Himmel hängt voll Geigen“ ist von der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ inspiriert und atmet die Essenz der Romantik – die Fenster der Katharinenkirche schimmerten nun bläulich und bildeten eine neue Ergänzung zum Altarbild. Aufs Schönste durchstreifte Stucki die zutiefst spirituellen Strophen, ihr Sopran wurde von der Orgel getragen. Ungestüme, eruptive Signale fügten sich ein, bevor die Sinfonie ihrem Ende entgegenging.