Alexandre Bytchkov interpretiert klassische Orgelwerke in Katharinenkirche auf dem Akkordeon
Akkordeon statt Orgel: Alexandre Bytchkov fesselt in der Katharinenkirche in Oppenheim die Zuhörer durch seine perfekte Präsentation klassischer Werke
Von Fred Balz
Alexandre Bytchkov ist einer der besten Konzertakkordeonisten Deutschlands. Davon überzeugten sich die Zuhörer in der Katharinenkirche.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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OPPENHEIM - Bachs Orgelwerke auf dem Akkordeon zu spielen können sich nur wenige vorstellen. Der in St. Petersburg geborene, studierte Akkordeonist Alexandre Bytchkov lebt seit 20 Jahren in Mainz und lehrt am dortigen Peter Cornelius Konservatorium. Mittlerweile ist er einer der besten Konzertakkordeonisten des Landes mit zahlreichen Preisen, darunter zweimal der deutsche Akkordeon Musikpreis von Baden Baden.
Klang kommt der Orgel recht nahe
Für die traditionelle Sommermatinee im Westchor der Katharinenkirche hat er Werke von Bach, Scarlatti, Schostakowitsch und Piazzolla notengetreu aufs Akkordeon übertragen. Dabei beeindruckt der warme, transparente, in den Akkordeonregistern der Kirchenorgel recht nahe kommende Klang. Wenn es ein Werk gibt, das den kompletten Bach in sich vereint, dann ist es seine „Toccata und Fuge in d-Moll“ mit düster hallendem Eingangsmotiv. Das vielgestaltige Stück hat auch durch seine verschiedenen Klangfarben und Stimmungen einiges zu bieten. Alexandre Bytchkov ist mit seinem Akkordeon näher am Ohr des Zuhörers als die Orgel und weiß durch seine perfekte Übertragung und einnehmende Präsentation zu fesseln. Bachs frühes „Capriccio“ über die Abreise des geliebten Bruders kommt in sich gekehrt mit getragen auf und ab gleitenden Noten wie ein Requiem daher. „Wir glauben all’ an einen Gott“ ist eine zweiteilige Fuge, die als Meditation beginnt und in einen kraftvollen Hymnus mündet. Seine „Fuge in C-Dur“ ist so zupackend wie klangintensiv. Die zweite Sonate von Bachs Zeitgenossen Domenico Scarlatti setzt weniger filigran auf volkstümliche Klänge. Nach ruhigem Einstieg ist mit „Die Jacke“ Scarlattis übermütige tänzerische Seite zu hören. Als wogendes Musikstück aus dem alten Russland ist Georgy Swiridovs anrührende Romanze eine willkommene volksmusikalische Abwechslung. Dmitri Schostakowitschs Musik passte zwar nicht zur Kulturpolitik der Stalin Ära, gilt aber heute als Wegbereiter der Moderne und Ausdruck der russischen Seele. Sein „Präludium in e-Moll“ ist ein zartes, melancholisches Kleinod, das zunehmend an Lebendigkeit und Farbe gewinnt. Als Hommage an Astor Piazzolla nimmt Vladimir Zubitzki den berühmten „Libertango“ als Grundlage für seine eigene Komposition. Das kurze mitreißende Tanzstück ist gespickt mit Zitaten und Ideen der Vorlage eine aufs wesentliche reduzierte Überraschung mit Klopfperkussion auf dem Akkordeon und einer kurzen Gesangseinlage Bytchkovs. Der lässt daraufhin schmerzvoll in sich gekehrt den langsamen Walzer „Oblivion“ von Piazzolla folgen, der einen ganz eigenen Reiz ausstrahlt. Vielleicht muss so tief empfundene Trauermusik klingen.
Natürlichen Hall des Westchors genutzt
Einen Hauch von Abschied bietet auch Franz Schuberts „Serenade“. Der langsame, sentimentale Walzer mündet in eine anmutige Melodie. Prägnante Bässe und strahlende Melodien prägen Antonio Corellis für seine g-Moll-Sonate komponiertes prächtiges Finale, das auch in abgespeckter Akkordeonversion verzaubern kann. Bytchkow hat bewusst Stücke ausgewählt, die durch den natürlichen Hall des Westchors der Katharinenkirche an Klangpracht gewinnen können und klanglich der Originalinstrumentierung nahe kommen. Das trifft auch auf das ursprünglich für Orgel oder Cembalo gedachte „Rondo“ von Claude Daquin als stimmungsvolle Zugabe zu.