Martin Schichtel aus Zornheim stellt Skulpturen aus Granit her
Von Kathrin Damwitz
Reporterin Rheinhessen
Viel Handarbeit steckt in den Skulpturen von Martin Schichtel. Aus diesem Granitblock soll möglicherweise ein „Ast“ werden. Foto: hbz/Bahr
( Foto: hbz/Bahr)
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ZORNHEIM - Die höchsten Dünen der Welt aus rotem Sand prägen das Gebiet „Sossusvlei“ in Namibia. „Sossusvlei“ befindet sich auch im Wohnzimmer von Bianca und Martin Schichtel. Das spektakuläre Sandmeer in der Wüste Namib ist Namensgeber eines Objektes, das der Bildhauer und pensionierte Pädagoge Martin Schichtel aus Granit erschaffen hat. Sein Erscheinungsbild ist den riesigen Dünen nachempfunden. Der filigrane obere Teil der in hunderten Stunden Arbeit entstandenen schwarz-grauen Skulptur erinnert an die Krone eines gigantischen Sandbergs. Obwohl aus starrem Stein entstanden, sieht das „Sossusvlei“ durch seine organische Form aus, als wäre es in Bewegung. Ein faszinierendes, glatt poliertes Objekt.
„Granit ist mein Lieblingsmaterial“, sagt der 76-Jährige, der an der Hochschule Mainz Kunst studierte und an drei Gymnasien unterrichtet hat. Von 1985 bis zu seiner Pensionierung 2005 vermittelte er den Schülern des Nieder-Olmer Gymnasiums die Liebe zur Malerei, zur Bildhauerei. Schon während seines Studiums in den sechziger Jahren lag es ihm, Stein zu bearbeiten und zu gestalten. Erste Versuche wagte Schichtel auf dem Außengelände der Kunsthochschule mit Granitbrocken von einem Friedhof. Sein Professor habe ihm freilich einen Meißel vom Schmied in die Hand gedrückt, dessen Spitzen ständig abgebrochen seien. Also besorgte er sich beim Steinmetzbedarf Spezialwerkzeug, das seinem Gehämmer und dem harten Material standhielt. „In den Semesterferien habe ich mir dann drei Monate lang in einem Steinmetzbetrieb Grundkenntnisse und technisches Know-how angeeignet“, blickt Schichtel zurück, der aus Hanau stammt.
Sieger ist entweder der Stein oder der Künstler
Seine Objekte sind puristisch. „Figürliches wäre zwar machbar, aber widersinnig dem Stein gegenüber“, weiß der Künstler. Ohnehin muss er Härte, Kraft, Disziplin, Durchhaltevermögen zeigen, um dem Granit eine Form abzutrotzen. „Viel Zeit ist nötig“, sagt Schichtel. Er brauche den Widerstand. „Mit Granit kann man nicht immer machen, was man ursprünglich im Kopf hatte“, erläutert er. Bisweilen entwickele sich das Projekt ganz anders. „Ich stoße beispielsweise auf innere Haarrisse, dann muss ich die Form ganz neu denken, denn Teile könnten abbrechen.“ Sieger sei entweder der Stein oder der Künstler.
AUSSTELLUNGEN
Martin Schichtel hat seine Skulpturen schon in Darmstadt, Wiesbaden und Mainz gezeigt. Weitere Ausstellungen sind nicht geplant, da die Exponate kaum zu versichern und sehr schwer zu transportieren sind.
Nach dem Schlagen mit Hammer und Meißel schleift Schichtel den Granit. Erst nimmt er die Flex zu Hilfe, dann einen Handrutscher. Das Schleifen und Glätten mithilfe von Wasser. Ganz am Ende greift er zu verschiedenen Schleifkissen, teilweise mit eingearbeiteten Diamanten. Die polieren den Stein. Schichtel trägt keine Paste auf, um das Objekt zum Glänzen zu bringen. „Alles ist Handarbeit“, erklärt er.
Seine Rohstoffe bezieht er vom Steinmetz. Oder von Friedhöfen, die abgeräumt werden und auf denen einzelne Granitbrocken übrig sind. Gerade hat Schichtel das vorletzte Stück von einem Friedhof in der Mangel, sprich, er bearbeitet es mit Hammer und Meißel. Ihm schwebt als Arbeitstitel „Ast/Holz“ vor und eine erste Anregung hat er sich schon aus Gips gegossen. Aber wer weiß, ob der Granitstein zum „Ast“ werden wird und sich dergestalt formen lässt...
Schichtel steht nicht täglich in der Werkstatt neben seinem Haus. Aber wenn er arbeitet, dann bleibt er zwei bis drei Stunden am Ball. Früher war die Bildhauerei ein wunderbarer Ausgleich zum Beruf. Auch die Sockel für die Objekte stellt er selbst her. So thront der schwarz-glänzende „Wandschrank“ von 1988 auf einem alten Eichenbalken. „Kompromiss“ vereint kantige und runde Formen. Für die „Abfahrt“ in die Ewigkeit ruhen zwei schwarze Knochenfragmente auf einem hölzernen Boot.
Die Skulpturen von Martin Schichtel schmücken das ganze Haus der Familie. Seine Frau, die Kunst in Ingelheim an einer Grund- und Hauptschule unterrichtet hat, trägt zur außergewöhnlichen Dekoration von Garten und Gebäude mit textiler Kunst, moderner Stickerei, Zeichnungen bei. Aber das ist eine andere Geschichte...