Wein statt Aktien: Neustart für Sörgenlocher Thorsten Krämer
Interessanter Umstieg: Der Sörgenlocher Thorsten Krämer war Vermögensverwalter und wurde mit 41 Jahren Winzer. Zum 1. Januar übernahm er das elterliche Weingut und hat große Pläne.
Von Kathrin Damwitz
Lokalredakteurin Oppenheim
Thorsten Krämer vor dem Weingut und Gehöft seiner Familie in der Mainzer Straße.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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SÖRGENLOCH - Es war eine spannende Zeit damals, Ende der neunziger Jahre. Thorsten Krämer war im Aktienhandel bei der Landesbank in Mainz beschäftigt und erlebte 1996 den Börsengang der Deutschen Telekom hautnah mit. „Mein Beruf war sehr abwechslungsreich, ich musste mich als Wertpapierspezialist immer wieder neu auf die Gegebenheiten einstellen“, sagt der heute 43-Jährige. Auf geänderte Umstände muss er sich auch im aktuellen Beruf stets gefasst machen. Die haben aber nicht mit Geldvermögen, Wirtschaftspolitik oder Börse zu tun. Sondern mit den Launen der Natur, mit Dürre, Sturm und Sonne, mit Böden und Mikroklima. Krämer ist Winzer geworden.
Nicht nur Winzer, sondern auch Wirtschafter
Er hat vor drei Jahren entschieden, seinem damaligen Arbeitgeber, einer Vermögensverwaltungsgesellschaft in Bergisch-Gladbach, den Rücken zu kehren. Er sattelte um und wurde vom Investmentspezialist zum Weinerzeuger. Nach seiner zweijährigen Winzerausbildung setzte er noch den Fachschulabschluss zum Wirtschafter für Weinbau und Oenologie drauf – als Jahrgangsbester im Landkreis. Zum 1. Januar 2018 hat er das elterliche Weingut in Sörgenloch komplett übernommen. Vom Banker zum Weinerzeuger – warum ging er diesen Schritt? „Meine Wurzeln liegen in Sörgenloch, ich habe sie nie gekappt, bin bodenständig geblieben. Und immer war da im Hinterkopf der Gedanke, in den Weinbau einzusteigen und dort mein Glück zu machen“, erzählt er.
Bei einer Bank oder Vermögensverwaltung zu bleiben, wäre der „einfache Weg“ gewesen, findet er. „Aber ob ich da auf lange Sicht glücklich geworden wäre?“ Er weiß es nicht. Klar war für ihn, dass er nach Jahren im Büro gern stärker in der Natur tätig sein wollte, am Abend sein „Tagwerk“ sehen wollte. „Wenn ich im privaten Rahmen Weine vorstellte aus dem Betrieb meines Vaters, dabei ins Schwärmen geriet, sagten mir Freunde immer: ,Das ist doch Deins, das kommt aus dem Herzen, wie Du die Weine präsentierst und über sie sprichst.’“
Jetzt geht er also neue Wege im Weingut Krämer in Sörgenloch, allerdings in kleinen Schritten. Aus seinen Worten spricht Respekt vor der Lebensleistung der Generationen vor ihm im Betrieb. Sein Vater Hans-Albert (67), er hat über 50 Jahre Berufserfahrung, konzentrierte sich, unterstützt von Ehefrau Sigrun (65), ab Mitte der neunziger Jahre voll auf den Weinbau, gab die Landwirtschaft seines Vaters auf. An den Betrieb der Großeltern Hans (verstorben) und Anni (93) war die kleine Gastwirtschaft „Zum alten Mühlchen“ angekoppelt, die seit über 125 Jahren besteht. Mittwochs und sonntags hat sie noch geöffnet.
Die Kundschaft des Weinguts, das vier Hektar Rebfläche bewirtschaftet, kommt aus der gesamten Region, es sind viele Stammkunden darunter. Über Empfehlungen und Mund-zu-Mund-Propaganda wurden die Käufer seither auf Krämers aufmerksam. Beim Marketing geht Thorsten Krämer neue Wege, macht sich auch über Instagram und Facebook bekannt. Er hat modernere Etiketten entworfen, ein Logo, eine Website konzipiert. Er vermarktet die Weine als Gutsweine, Ortsweine, Lageweine. „Ein klarer Markenauftritt und der hohe Wiedererkennungswert sind mir wichtig“. Wichtig ist ihm auch, sich Richtung Gemeinde zu öffnen – erstmals seit Jahren wird zur Kerb am 22. und 23. September der Krämer‘sche Hof in der Mainzer Straße zum Besuch und zur Jahrgangsverkostung 2017 einladen.
2016 hatte er seine ersten Grau- und Weißburgunder erzeugt. Sein 2016er Ortswein/Weißburgunger erhielt aus dem Stand die Goldene Kammerpreismünze. Während seiner Lehre bei den Top-Weingütern Jürgen Hofmann (Appenheim) und Eva Vollmer (Mainz-Ebersheim) habe er gesehen, was möglich ist in Sachen Qualität und Vermarktung, das sporne ihn an, betont Thorsten Krämer. Zukünftig wolle er mehr per Hand lesen, noch stärker auf Selektion setzen und sich der ökologischen Erzeugung annähern. Der Jungwinzer wird von seinen Eltern und während der Lese von einer Saisonkraft unterstützt, ansonsten hängt alles an ihm. Dennoch, er ist hochzufrieden, dass er zur prosperierenden Weinszene Rheinhessens zählt. „Da ist viel in Bewegung“, freut er sich auf künftige Herausforderungen.