Waldemar Erz zeigt in der Nieder-Olmer Schmiede Wettig überraschend collagierte Porträts
Von Torben Schröder
Erst bei genauem Hinsehen fällt bei vielen Porträts auf, mit welchen Materialien Erz gearbeitet hat. Foto: hbz/Judith Wallerius
( Foto: hbz/Judith Wallerius)
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NIEDER-OLM - Eine Sommerpause gibt es beim Verein Glockwerks Lichte Kunstprojekte in Nieder-Olm nicht. Am vergangenen und am kommenden Wochenende stellte und stellt Waldemar Erz eine Reihe von Werken unter dem Titel „Lebenskraft“ aus, präziser: „Acryl auf Leinwand. Mixed Media.“ So lautet die Beschreibung der meisten Werke in der Preisliste, und blickt man genauer auf all die Porträts an den Wänden in der Schmiede Wettig, fällt ein äußerst kreativer Umgang mit Materialien auf. Die Haare des „Jack Sparrow“ stammen aus dem Wohnzimmerteppich des Künstlers, die Kamera auf dem Porträt der Fotografen-Legende Rudi Klos besteht aus geriffelter Pappe.
Schmidts strenger Blick ist kaum auszuhalten
Es wird viel mehr collagiert, als der erste, flüchtige Blick erahnen lässt. Johannes Gutenberg ist, wie sollte es anders sein, umschlossen von Schnipseln aus diversen Presseerzeugnissen. Nur auf die Verwendung einer echten Zigarette beim Helmut-Schmidt-Porträt hat der Künstler verzichtet. Dafür wagte er sich an die anspruchsvolle Aufgabe, die Leinwände mit glänzender Alufolie zu umspannen. „Die Farbe verhält sich anders, vermischt sich schwerer“, erläutert er, „man muss dezenter arbeiten, und mit längeren Trocknungsphasen.“
Da verwundert es umso mehr, dass die Arbeiten im Großen und Ganzen im vergangenen Winter zustande kamen. Der selbstständige Grafikdesigner arbeitet in thematischen Perioden, mal geht es um heimatliche Stadtansichten, mal um Landschaften, nun um Porträts. Und was für welche. „Diese Köpfe sind Antworten auf unsere Fragen“, hält der Kunstkenner und Kurator Dr. Richard Auernheimer fest, „es sind Köpfe, mit denen man reden kann.“ Beispielsweise sei es „selten, dass Mozart sich so gut dargestellt findet wie hier“. „Eines der schönsten Bilder“, so der Laudator, ist das Porträt des Nieder-Olmers Rudi Klos, das sich Bürgermeister Dieter Kuhl prompt für seine Stadt reservierte. Helmut Schmidt könne man, findet Auernheimer, fast gar nicht gegenüber stehen, „so streng guckt er einen an“. Mit der Zigarette in der Hand habe er in der Allgegenwart des Rauchverbots stets auch signalisiert, dass er über den Dingen steht. Erhabenheit und Würde hat Waldemar Erz famos eingefangen.
ÖFFNUNGSZEITEN
Waldemar Erz’ Ausstellung „Lebenskraft“ ist noch am 5. August (15 bis 18 Uhr) und 6. August (11 bis 18 Uhr) in der Schmiede Wettig, Enggasse 15, Nieder-Olm, zu sehen. Weitere Informationen unter www.glockwerk.de.
Dem 35-jährigen Künstler gelinge es, so Auernheimer, in seiner Auseinandersetzung mit Personen das Wesentliche, Wichtige herauszuarbeiten und „dem Wesen des Menschen sehr nahe zu kommen“. Mit seinem „Media-Mix“, dem Überschichten und Überschreiben, komme er der Arbeitsweise von Computerprogrammen nahe. Im Falle Helmut Schmidts – oder auch beim markanten Bud-Spencer-Porträt – kommt das Porträt komplett ohne zusätzliches Material abseits der Malerei aus. Beim mit einem großen „Luther“-Schriftzug versehenen Porträt des Reformators hingegen finden die Todsünden am Bodensatz des Bildes eine gezielte Verarbeitung. Darüber sieht der Theologe mit unbeirrten Blick hinweg, nach oben, voraus. Als „der Mann, der 1517 den weitesten Blick hatte“, charakterisiert ihn Auernheimer. „Vieles passiert intuitiv“, erläutert der Künstler, „bei Luther war viel mehr Überlegung dabei. Die Sünden wollte ich unter seine Füße legen.“ Er sei derjenige gewesen, der „die Angstmacher zur Seite geräumt hat“.