Er hat als Drogenkurier gearbeitet und zehn Jahre im Gefängnis gesessen. Darüber berichtete Maximilian Pollux an der Nieder-Olmer Selztalschule. Die Jugendlichen lauschten gebannt.
Von Kathrin Damwitz und Paul Rosenbauer
Messerattacken, hier mit Pinseln nachgestellt, und Mobbing sind immer wieder Themen in den Workshops von Maximilian Pollux (2.v.l.), der schon an 100 Schulen in ganz Deutschland zu Gast war.
(Foto: hbz/Michael Bahr)
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NIEDER-OLM - Eigentlich hatte Max’ Kumpel „einfach nur“ im Getränkemarkt Alkohol klauen wollen. Er hatte „zur Sicherheit“ ein Obstmesser dabei. Mit dem fuchtelte er rum, als ihn eine Angestellte entdeckte und sich ihm in den Weg stellte. Dumm nur, dass er dabei die junge Mutter am Hals traf. Sie fiel zu Boden, verblutete. Im Getränkemarkt. Dem Richter, vor dem der 20-Jährige später saß, erzählte der Täter, er habe niemanden töten wollen. Das Obstmesser sei lediglich eine „Verteidigungswaffe“ gewesen. Er wurde wegen Mordes angeklagt, kam ins Gefängnis. Das mitgeführte Messer wertete das Gericht als Beweis dafür, dass der Ladendieb eine Tötungsabsicht hatte. „Das muss man immer bedenken, wenn man ein Messer dabei hat“, sagt Maximilian Pollux. Sein Kumpel sitzt für die Tat, die er nie begehen wollte, die sein Leben ruinierte, seit fast 16 Jahren im Gefängnis. „Und er weiß nicht, wann er entlassen werden wird.“
Maximilian Pollux berichtet „aus erster Hand“ vor über 20 Siebt- bis Neuntklässlern der Selztalschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Nicht nur vom Schicksal seines Kumpels, sondern auch von den Erfahrungen, die er im Gefängnis machte. Er war selbst straffällig geworden, unter anderem, weil er als Drogenkurier unterwegs war. Die Schüler sind schwer beeindruckt, lauschen Pollux den ganzen Vormittag hoch konzentriert und aufmerksam. Er erzählt, wie er auf die schiefe Bahn geraten ist. Und dass er jetzt für den gerade gegründeten Verein „Die SichtWaisen“ Mainz arbeitet.
Maurice (14) erachtet die Schilderung der Knast-Erfahrungen besonders interessant. „Vor dem Gefängnis habe ich jetzt echt ein bisschen Angst“, meint er. Philip (16) bewundert, wie sehr Maximilian sein Leben nach der Haft geändert hat, dass er jetzt Projekte an Schulen leitet und Aufklärungsarbeit leistet. Marcel (14) urteilt: „Ich habe heute viel Neues gelernt. Beispielsweise, was für gefährliche Dinge im Gefängnis passieren. Ich bin zwar selbst nicht so der Typ für kriminelle Dinge, fand es aber trotzdem sehr sinnvoll.“ „Für mich ist es unvorstellbar, so isoliert, ohne Familie, ohne Kontakt nach außen zu leben“, bekennt Lukas (15).
„Die Kinder waren total gebannt“, stellt Lehrer Jörg Janik fest. Seine Kollegin Amanda Gatzemeier ergänzt: „So still, wie es heute hier im Klassensaal ist, ist es selten.“ Die Taten, die Pollux schildert, haben sich wirklich alle zugetragen. Er hat auch ein Buch mitgebracht, das Geschichten vereint von Menschen, die jeweils mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht haben, so wie er („Zappenduster“. Herausgeber Hubertus Becker). „Das, was er hier in der Schule erzählt, ist authentisch, ehrlich, schockierend“, erläutert Gatzemeier zum Hintergrund des Präventionsprojektes.
Wie ist es, im Gefängnis zu sitzen, ohne Kontakt zur Familie, zu Freunden, zu Haustieren? Maximiliam Pollux kann darüber einiges berichten. Er hat auch ein paar unförmige Gefängnisschuhe mitgebracht, die jeder Häftling tragen muss, als Anschauungsmaterial sozusagen. Und er erzählt vom angeblich „harmlosen“ Cannabis, von dem coole Rapper allzu gern schwärmen. „Aus eigener Erfahrung kann ich euch sagen, dass Gras zu Gedächtnisverlust führt, wirklich üble Auswirkungen auf eure Gesundheit hat.“ Und fürs „Koks“, das in vielen Songs vorkommt, würden in Südamerika ganze Dorfgemeinschaften ausgelöscht, weil ihr Stammesgebiet auf den Drogenschmuggelrouten zwischen Labor und Großstadt liege. „Wer verkauft oder konsumiert, ist also nicht abgebrüht und schuldlos, sondern mit verantwortlich für den Mord an diesen Unschuldigen.“