Konvoi mit rheinhessischen Hilfsgütern zurück aus dem Nordirak

Die Hilfsgüter, die vom Konvoi der Aktion „We are Christians“ mit Unterstützung auch aus Rheinhessen angeliefert und verteilt wurden, sind von den Menschen im Irak sehnsüchtig erwartet worden. Foto: We are Christians Foto: We are Christians
KLEIN-WINTERNHEIM - Eisige Kälte liegt über dem Land, als Mike Malke und seine Begleiter im nordirakischen Erbil aus dem Lastwagen klettern. "Wir zitterten in unseren dicken Daunenjacken - und um uns herum liefen die Kinder barfuß im Schlamm." Ein Bild, das sich eingebrannt hat in Malkes Gedächtnis. "Ohne zu überlegen, rissen wir die Kartons auf und verteilten Strümpfe an die Kleinen." Strümpfe, die zuvor vielleicht einem Kind aus Rheinhessen gehörten.
Humanitäre Katastrophe
Denn die Kartons stammten aus einer Spendenaktion für die Flüchtlinge im Nordirak, für die auch Klein-Winternheims Bürgermeisterin Ute Granold die Trommel gerührt hatte. Mit überwältigendem Erfolg: Aus der ganzen Region waren damals Menschen nach Klein-Winternheim geströmt, um die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Vertriebenen mit Decken und Kleidung zu versorgen (die AZ berichtete).
Aufgerufen zu der Spendenaktion hatte "We are Christians", ein von aramäischen Christen in Deutschland gegründeter Verein. Sein Ziel: angesichts der humanitären Katastrophe im Nahen Osten Soforthilfe vor Ort zu leisten. "Wir unterscheiden nicht zwischen Christen, Muslimen oder Jesiden", betont Malke, "wir kümmern uns um alle, die um Hilfe bitten". Hilfe, die bitter nötig ist angesichts der lebensfeindlichen Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge hausen. "Sie flohen in ihrer Sommerkleidung", berichtet Malke, "es blieb keine Zeit, irgendetwas mitzunehmen". Die IS-Schlächter hatten keine Zweifel daran gelassen, dass sie vor allem den Christen nach dem Leben trachteten. Wer sich retten konnte, fand sich in einem der behelfsmäßig errichteten Lager im Nordirak wieder - nur von dünnen Zeltwänden oder gar Plastikplanen "geschützt" vor Regen, Sturm und Kälte. Im Spätjahr 2014 war Mike Malke zum ersten Mal in das Krisengebiet geflogen. Sein Plan: das, was die Flüchtlinge am dringendsten benötigten, mit Spendengeld vor Ort zu kaufen. Doch so viele Hilfsgüter auf einen Schlag zu beschaffen, erwies sich als schwierig.
ZDF-REPORTAGE
Das ZDF hat Mike Malke auf seiner ersten Reise in den Nordirak begleitet. Der Film findet sich im Internet unter http://bit.ly/1wtIAve
Weitere Informationen, Fotos und Videos zu den Hilfsaktionen sowie zur Lage der Flüchtlinge im Nordirak im Internet unter www.wearechristians.de oder bei Facebook unter Facebook.com/WeAreNasrany
Wer spenden möchte: We are Christians e.V.; IBAN DE94 6105 0000 1255 5481 65; BIC GOPSDE 6GGXXX
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Wer spenden möchte: We are Christians e.V.; IBAN DE94 6105 0000 1255 5481 65; BIC GOPSDE 6GGXXX
Zwangspause beim Zoll
Also beschlossen die Helfer, in Deutschland um Unterstützung zu bitten. Die erhielten sie nicht zuletzt von Ute Granold. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete und Menschenrechtsexpertin organisierte kurzfristig eine Sammelaktion auf der rechten Rheinseite, und auch andernorts wurde um Spenden gebeten. Zwei 40-Tonner, voll beladen mit dem Notwendigsten, was Menschen zum Überleben brauchen, starteten schließlich Richtung Nordirak. Mike Malke und drei Begleiter machten sich ebenfalls auf den Weg. Wie immer kamen die Freiwilligen von "We are Christians" selbst für ihre Reisekosten auf.
Die kletterten allerdings in die Höhe, weil das Team plötzlich eine Woche länger als geplant in Erbil auf den Konvoi warten musste. Grund: Zwangspause beim türkischen Zoll. Nach längerem Hin und Her ließen die Grenzer den Transport doch passieren. Endlich rollten die 40-Tonner nach Erbil hinein - und nicht nur die Strümpfe fanden in den Camps reißenden Absatz. Vor allem auf Babynahrung hatten die Flüchtlinge gehofft - "die Freude der Mütter war unbeschreiblich", erinnert sich Mike Malke.
Hat sich die Lage der Flüchtlinge seit Oktober 2014 inzwischen verbessert? Malke zögert. "Bei meinem ersten Besuch nahmen die schwerst traumatisierten Menschen kaum wahr, was um sie herum vorging. Sie saßen in ihren dünnen Kleidern barfuß im Matsch und schauten durch mich hindurch." Gewiss, inzwischen habe sich die Situation verändert. Die Menschen leben mittlerweile in Containersiedlungen oder Rohbauten, in die man Gipskartonwände eingezogen hat. Auf den ersten Blick eine Verbesserung, sagt Malke. Aber, fügt er leise hinzu, einer seiner Team-Kollegen sei in Tränen ausgebrochen beim Anblick der auf kaltem Betonboden hockenden Kinder, Frauen und Alten, die in einem nicht zu Ende gebauten Einkaufszentrum Unterschlupf gesucht haben.
Was Mike Malke im Nordirak erlebt hat, lässt ihn nicht los. "Es sind Menschen wie Sie und ich, die von einem Tag auf den anderen aus einem sicheren, geordneten Alltag ins tiefste Elend gestürzt wurden." Und die jetzt vor allem eines fürchten: von der Welt vergessen zu werden.