JUGENHEIM - Heilig und unantastbar sei den Juden der Friedhof, das stellte Dr. Wolfgang Hoppe zu Beginn des Vortrags „Der jüdische Friedhof Jugenheim“ fest. Er machte damit zugleich klar, wenn es um die systematische Erfassung der jüdischen Grabstätten auf der Gemarkung „Gutding“, einst jüdischer Zentralfriedhof der Region, geht, dann geschieht dies allein deshalb, die teils uralten Gräber zu erhalten, zu erforschen und sie mit dem ehemals jüdischen Leben in Jugenheim in Relation zu setzen.
Hoppe beschäftigt sich gemeinsam mit der Kennerin alter Schriften, Dr. Anke Joisten-Pruschke von der Uni Mainz, und Wolfhard Klein, Chronist und Journalist aus Jugenheim, seit dem Frühjahr mit dem Friedhof. Erste vorläufige Ergebnisse der Arbeit stellte das Trio jetzt im Franz-Josef-Helferich-Haus vor. Gespannt lauschten die zahlreich erschienenen Gäste auch aus den Nachbargemeinden dem Vortrag. 187 Grabsteine, zehn Doppelgräber, 20 Bodenartefakte und 9 weitere Fundstücke seien kartiert worden, weiteres ist auf den vermeintlich freien Flächen des Friedhofs im Boden zu vermuten. Das älteste „sichtbare“ Grab sei aus dem Jahr 1781, das jüngste von 1935, sämtliche Gräber seien nach Südosten, also nach Jerusalem ausgerichtet. Aber auch von Grabsteinen, die die Assimilation der Juden an das Christentum deutlich machen und anderen, die das strenge Festhalten am jüdischen Glauben dokumentieren, erzählen die Referenten.
Faszinierend für Joisten-Pruschke ist vor allem die Tatsache, dass die hebräischen Inschriften, die fast schon poetisch Geschichten zu dem dort Beerdigten erzählen, teils mit aramäischen Wörtern gespickt sind. Sie zeigt viele Fotos und ihre Begeisterung für die Schriften ist ihr auch im Referat deutlich anzumerken. „Aramäisch zwischen dem Hebräischen, das ist äußerst selten“, wunderte sie sich über derartige Funde in Jugenheim. Sie vermutet deshalb einen starken Einfluss aus Mainz, wo es große jüdische Gelehrtenschulen gegeben hat.
Hoppe zeigt Bilder, berichtet von der Anordnung der Grabsteine und geht auf zeitliche Besonderheiten ein. Die ganz alten Steine sind aus Sandstein mit Rundbogen, modernere Steine sind aus Granit, stellen oft Obelisken dar. Untypisch für jüdische Gräber und wieder ein Zeichen für die Anpassung an das Christentum sind Einfassungen, erfahren die Zuhörer. Manche der neueren Steine haben eine deutsche Übersetzung auf der Rückseite, andere vorne, auch dies ein Hinweis für die Assimilation. Klein berichtet schließlich aus den Funden in Büchern, Urkunden und Amtsblättern und verbindet so das ehemalige jüdische Leben Jugenheims mit dem, was sich bereits vom Friedhof mit seinen Grabmalen und Inschriften ablesen lässt.
Nur wenige waren im Handwerk tätig, die Vielzahl der jüdischen Grundstücke einst erklärt sich daraus, dass einige als Grundstücksmakler arbeiteten. Aber auch im Weinhandel waren sie tätig, viele Großfamilien gab es, nach und nach aber wurde die jüdische Gemeinde kleiner, zuletzt berichten die Chroniken von Verfolgung, Auswanderung, Flucht.