Als 14-Jähriger hat er mit dem Deutschland-Achter bei den Olympischen Spielen in Mexiko Gold gewonnen. Bundesweit bekannt ist der Essenheimer Gunther Tiersch inzwischen aber als Meteorologe, zuständig für die Wettervorhersagen beim ZDF.
Von Dieter Oberhollenzer
„100 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde gab es vor 30 Jahren nicht“, diese Beobachtung ist für Gunther Tiersch ein Beispiel für den Klimawandel.
(Foto: ZDF/Kerstin Bäntsch)
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MAINZ/ESSENHEIM - „Ja, die liegt im Tresor“, antwortet Gunther Tiersch auf die Frage, wo sich seine bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 gewonnene Goldmedaille im Rudern befindet. Vor über 50 Jahren war er mit 14 Jahren als Steuermann Mitglied des Deutschland-Achters. Auch heute ist der 64-jährige Essenheimer bundesweit bekannt. Aber nicht als Spitzensportler, sondern als Meteorologe mit seinen Wettervorhersagen im Anschluss an die ZDF-Nachrichtensendungen heute und heute-journal. Seit über 30 Jahren.
Die Nachrichten und die Wettervorhersage sind beim ZDF in Mainz ein nicht wegzudenkender Programmbaustein. Das beweisen die dreieinhalb bis vier Millionen Zuschauer pro Nachrichtensendung. „Nach der kurzen Werbung verlieren wir beim heute-Wetter zwischen 200 000 und 500 000 Zuschauer. Aber nach dem heute-journal werden es beim Wetter manchmal sogar mehr. Es kommt auf die nachfolgenden Sendungen an“, erklärt Gunther Tiersch, der selbst bis zu zwölf Mal im Monat auf dem Bildschirm zu sehen ist. In einer schnelllebigen, orientierungslosen Zeit vertrauten die Menschen wieder mehr den seriösen Medien. Nicht nur die über 60-Jährigen.
Der gebürtige Ratzeburger (verheiratet, zwei Kinder, drei Enkel), Leiter eines zehnköpfigen Wetterteams, hat nicht viel Zeit, das Wetter für den nächsten, den übernächsten Tag oder das Wochenende vorherzusagen. 70 Sekunden sind es in der 19 Uhr-heute-Sendung, bis zu 90 Sekunden im heute-journal. Da bleibt neben den zeitlichen und örtlichen Veränderungen des Wetters am Vormittag, am Nachmittag, im Norden und im Süden ein kleiner Spielraum, Zusatzinfos in den Grafiken auf der Grundlage von Wettermodellen und eigenen Erkenntnissen zu vermitteln. Das können die Folgen eines Glatteisregens oder besonders auffällige Windfelder sein. Als Unterscheidung zu den um sich greifenden Wetter-Apps.
„100 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde gab es vor 30 Jahren nicht“, diese Beobachtung ist für Gunther Tiersch ein Beispiel für den Klimawandel. Foto: ZDF/Kerstin Bäntsch
Gunther Tiersch (hier vor einer Sommer-Wetterkarte) hat 1985 als freier Mitarbeiter beim ZDF angefangen, seit 1987 moderiert er das Wetter nach den Hauptnachrichten. Im Jahr 1990 erfolgte die Festanstellung. Seit 2004 ist er verantwortlich für die Wetterredaktion. Foto: ZDF/Kerstin Bäntsch
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„Im Vergleich zum Wetterbericht in den 1960er Jahren mit der Sonnen-Wolken-Karte hat sich wenig verändert. Statt mit Kreide zu schreiben sind wir inzwischen aber digital geworden. Und die Qualität ist viel besser geworden“, so Tiersch. Auch die neuen Medien fordern ihren Tribut: Das Facebook-Wetter fürs Wochenende ist inzwischen ein Muss. Apropos Qualität: Von zehn Vorhersagen für den nächsten Tag stimmen fast 100 Prozent, so Tiersch, „danach geht es langsam runter“. Mittel- und langfristig wird es immer schwieriger. Etwa, wenn man Anfang Dezember schon wissen will, ob es an Weihnachten schneit.
Ein zentrales Thema für Gunther Tiersch ist der Klimawandel mit seinem dramatischen Temperaturanstieg, besonders wenn er Vorträge hält, etwa vor Landwirten, Vertretern der Holz- oder der Energiewirtschaft. Es gebe mehr trockene, heiße Sommer, immer wieder auch mit riesigen Regenmengen („100 Liter pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde gab es vor 30 Jahren nicht“), sowie mildere Winter mit gefährlichen späten Frostphasen. Die Auswirkungen des Temperaturanstiegs auf die Kulturlandschaft, auf das tägliche Leben seien kaum überschaubar. Der sogenannte Jahrhundertsommer 2003 habe sich bereits 2018 wiederholt. „Alle Gegenmaßnahmen sind nur halbherzig“, schwant dem Meteorologen nichts Gutes in einer Gesellschaft, die ihre Lebensweise nicht ändern wolle.
DIE SERIE
Die AZ porträtiert in der neuen Serie „Medienmacher“ interessante Menschen aus dem Landkreis Mainz-Bingen, die bei traditionellen und neuen Medien arbeiten. Heute stellen wir Gunther Tiersch vor.
Gunther Tiersch wird im April 65. Die Rente steht Ende des Jahres an. Ob er danach noch als ZDF-Wettermann zu sehen ist, lässt er offen. Auf jeden Fall möchte er sich weiterhin als Leiter der Mainzer Rotarier-Jugendgruppe sozial engagieren und sich ab und zu als Mitglied des Essenheimer Kunstvereins in die lokale Kulturszene einbringen. Aber die Leidenschaft fürs Wetter verlässt ihn sicherlich in Zukunft nicht. Und auch für private Wettervorhersagen ist er immer zu haben. „Der Schaukel-Winter geht weiter“, beantwortet er die Frage des AZ-Reporters. Heißt: Es bleibt eher mild, es gibt ab und zu mal einen Nachtfrost, aber es ist keine massive Kaltfront in Sicht. Eben mal hoch, mal runter mit den Temperaturen.