Nackenheimer Rheinmühlen: Teil der Nackenheimer Ortsgeschichte wird als Musical umgesetzt

Geschichte zum Anschauen: die Rheinmühlen auf dem Mühlarm bei Nackenheim. Foto: Sammlung Werner Lang Foto: Sammlung Werner Lang
NACKENHEIM - Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden auf dem Rhein bei Nackenheim 19 Rheinmühlen gezählt. Im Altrheinarm, der sich entlang der Inseln Kisselwörth und Sändchen schlängelt, hatten die Schiffsmühlen ideale Bedingungen. Alteingesessene Nackenheimer sprechen heute noch vom „Mühlarm“. Der deutsche Mühlentag am Pfingstmontag, 16. Mai, erinnert auch an das Handwerk der Rheinmüller, dessen Blütezeit zugleich mit seinem Niedergang verknüpft sein sollte.
Opfer der Dampfmaschine
Die industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts machte auch vor den Rheinmühlen nicht Halt. Es war die Dampfmaschine, die unaufhaltsam die Zeit eroberte. Der Motor der raschen Fortbewegung, der Motor aber auch für industrielle Produktion. In 24 Stunden schaffte eine Rheinmühle vier bis acht Malter Mehl zu je 200 Pfund. Eine Dampfmühle aber brachte es auf 24 Malter in 24 Stunden; ein hoffnungsloser Wettbewerb.
Der historische Stoff vom industriellen Wandel, der die Strukturen und Menschen eines Dorfes für immer veränderte, ist auch ein moderner, ein literarischer Stoff. „Eisgang. Die Liebe hat keine Zeit“ heißt das Eventmusical, das derzeit von rund 200 ehrenamtlich Aktiven vorbereitet wird. Es handelt vom Niedergang der Rheinmühlen und von einer tragischen Liebe, die im gesellschaftlichen Umbruch keine Zeit für sich findet. Der Nackenheimer gemeinnützige Verein arTifex 486 Bühnenkunst produziert das Musical. Uraufführung ist am 5. und 6. November in der Carl-Zuckmayer-Halle in Nackenheim.

Zeichnung der Nackenheimer Rheinmühlen beim Eisgang 1891. Foto: Heimat- und Verkehrsverein Nackenheim Foto: Heimat- und Verkehrsverein Nackenheim
Die Zeitenwende kündigte sich auf dem Rhein schon früh an und die Schiffsmühlen profitierten zunächst sogar davon. 1830 bereits kamen die ersten Dampfschiffe auf. Sie sollten nach und nach die Leinreiter überflüssig machen, die mit ihren Pferden und Tauen die Schiffe (Selche) vom Leinpfad aus auf den Fluss zogen. Es ist überliefert, dass die Pferdeknechte in ihrer Verzweiflung schließlich mit Flinten auf die Dampfschiffe schossen. Vergebens. Bis 1870 war der Beruf des Leinreiters am Rhein ausgestorben, nur noch Erzählungen berichten von der gefährlichen Arbeit an den Tauen, weshalb die Pferdeknechte stets auch ein Kappmesser mitführten, um im Notfall die Verbindung zum Selch zu trennen. Heute gehen die Besucher am Rhein auf dem Leinpfad spazieren.
AUSGEH-TIPP
Zum deutschen Mühlentag am Pfingstmontag, 16. Mai, richtet der Verein Historische Rheinschiffsmühle Ginsheim wieder ein großes Mühlenfest auf der nach historischen Vorlagen originalgetreu nachgebauten Rheinmühle bei Ginsheim aus. Der Verein ist auch Kooperationspartner der Musicalproduktion in Nackenheim.
QUELLE
Nackenheimer Heimatkundliche Schriftenreihe, Werner Lang: Der Rhein bei Nackenheim Teil 1 und 2, 1957/1959
QUELLE
Nackenheimer Heimatkundliche Schriftenreihe, Werner Lang: Der Rhein bei Nackenheim Teil 1 und 2, 1957/1959
Die Schiffsmühlen hingegen hatten zunächst gerade im Mühlarm bei Nackenheim durch die Dampfschiffe einen nicht unbedeutenden Vorteil. Durch den Schleppvorgang der Leinreiter kam es zwischen Leinpfad und Schiffsmühlen nicht selten zu Konflikten. Schon damals wurde ein großes Regelwerk erstellt, wie Schiffsführer, Rheinmüller und Leinreiter sich zu verhalten haben, damit es nicht zu einem Unglück kommt. Die Dampfschiffe waren nun auf die Nähe zum Leinpfad nicht mehr angewiesen, folglich mussten sie auch nicht Kurs durch den Mühlarm setzen, sondern verkehrten auf dem Hauptarm des Rheines auf der östlichen Seite der beiden Inseln. Aber die neue Zeit, der industrielle Wandel, verschonte auch die Rheinmühlen nicht, lediglich zeitversetzt kam ihr Ende um 1890.
Rheinmüller waren für damalige Verhältnisse durchaus wohlhabende Leute. Es wurde nicht bloß das Getreide der umliegenden Rheindörfer gemahlen; von weit aus dem Hinterland kamen die Fuhrwerke und reihten sich im Nackenheimer Mahlweg, der noch heute so heißt, auf.
Regionales Monopol
Ironie des Schicksals sollte sein, dass just in diesem Mahlweg eine der ersten Dampfmühlen im Ort errichtet wurde. Die Bedingungen für die etwa 30 Meter langen Schiffsmühlen waren im Mühlarm ideal, weshalb diese Stelle bei Nackenheim zugleich auch eine Art regionales Monopol schuf. Üblicherweise war eine Müllerwohnung an Bord. Die reicheren Müller bauten sich aber an Land zugleich repräsentative Häuser, manchmal sogar in Verbindung mit einer Bäckerei. Das Leben auf der Mühle war nicht gefahrlos. Immer wieder kam es vor, dass wegen Unachtsamkeit im Umgang mit Öllampen Mühlen abbrannten. Gefürchtet war auch der Eisgang. Das Treibeis hatte die Gewalt, Mühlen wie eine Nuss zu knacken. Die Rheinmüller bauten deshalb 1871 in Höhe der Stelle, wo der frühere Mahlweg auf den Rheindamm stößt, einen Winterhafen.