Horst Kasper, der die Geschichte der jüdischen Familien in Bodenheim erforscht hat, präsentiert mit dem Verein Heimatmuseum ab 20. Oktober die Ausstellung „Die Erinnerung bewahren“.
Von Kathrin Damwitz
Reporterin Rheinhessen
Horst Kasper (r.) und Manfred Glaszner bereiten im Heimatmuseum die Ausstellung über jüdisches Leben in Bodenheim unter dem Motto „Die Erinnerung bewahren“ vor.
(Foto: hbz/Stefan Sämmer)
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BODENHEIM - Die Sonderausstellung im Heimatmuseum, die am 20. Oktober eröffnet wird (siehe Infokasten), hat durch die Ereignisse in Halle traurige Aktualität erfahren. Sie beschäftigt sich mit jüdischem Leben in Bodenheim und ist mit dem Titel „Die Erinnerung bewahren“ versehen. Horst Kasper erforscht seit über 40 Jahren die Geschichte seiner früheren Nachbarn und Freunde. Nur wenige Mitglieder der verschiedenen Familien überlebten – die Nationalsozialisten löschten das jüdische Leben in Bodenheim – wie fast überall – gründlich aus. Die Schicksale der Bodenheimer Juden hat Kasper dokumentiert.
Kasper und der Vorsitzende des Vereins Heimatmuseum, Manfred Glaszner, bereiten die Schau derzeit vor. Glaszner freut sich, dass Kasper als profunder Kenner der Bodenheimer jüdischen Geschichte 120 ausgewählte Fotografien aus seinem 1300 Bilder umfassenden Fundus zur Verfügung gestellt hat. Mit Blick auf den rechtsextremen Terror in Halle sagt Glaszner, er könne nur warnen: „Wehret den Anfängen!“. Für die Opfer aus Halle wird es im Heimatmuseum bei der Ausstellungseröffnung eine Gedenkminute geben.
Horst Kasper denkt, dass für viele Bodenheimer die Schulfotos, die er zusammengetragen hat, besonders interessant sind. Eines verewigt den „Geburtsjahrgang 1909“ und zeigt die Jüdin Paula Beringer inmitten ihrer christlichen Klassenkameraden. Darunter sind nahezu lückenlos alle Namen der Buben und Mädchen verzeichnet. Beringer, verheiratete Dreifus, sei es gewesen, die ihm Tür und Tor zu weiteren Emigranten öffnete, die in Übersee lebten.
AUSSTELLUNG
Die Ausstellung „Die Erinnerung bewahren“ wird am Sonntag, 20. Oktober, um 17 Uhr, eröffnet. Die Vernissage findet im Hermann-Weber-Saal im Bürgerhaus Dolles statt.
Die Ausstellung im benachbarten Heimatmuseum ist im Anschluss zu besichtigen. Sie ist auch am Samstag und Sonntag, 26. und 27. Oktober, sowie 2. und 3. November, von 14 bis 17 Uhr zu sehen, ebenso nach telefonischer Vereinbarung: 06138-63 44 oder 06135-66 39.
„Die Bürger jüdischen Glaubens waren Bodenheimer wie alle anderen auch, fest verwurzelt in der Gemeinde“, sagt Kasper. Sally Rosenbaum etwa führte eine koschere Metzgerei in der Albansgasse 5, bis er sie wegen des Verkaufsboykotts der Nazis im Oktober 1938 verkaufen musste. Sein Sohn Max, gelernter Verkäufer für Herrenmode, konnte bereits im Januar 1938 in die USA emigrieren, die Eltern Sally und Frieda sowie Schwester Regina flüchteten später. Eine Fotografie zeigt Max, wie er kurz vor der Ausreise mit Eltern, Schwiegereltern und Freunden Abschied in Bodenheim feierte. Er ging in eine ungewisse Zukunft. „Max musste in den USA aus finanziellen Gründen bis über die Altersgrenze hinaus eine für ihn ungewohnte körperliche Arbeit im Kühlhaus einer Metzgerei verrichten“, weiß Kasper, der noch Kontakt zu Eric und Doris, Max’ Kindern, hat. Die Erinnerung an die gute Bodenheimer Jugendzeit, an Fastnacht, Maskenbälle und die Weinlese sei bei Max nie verblasst. Aber Doris habe Einladungen nach Bodenheim nie annehmen wollen. „Ich kann nicht vergessen, was damals passiert ist“, habe sie ihre Ablehnung begründet.
Kasper hat über die Jahre die Geschichte der Familien erforscht, kontaktierte Amtsgerichte und Archive, Nachfahren der Familien, zu denen sich enge, langjährige Freundschaften entwickelten. Universitäten, Museen, die israelische Gedenkstätte Jad Vashem schrieb er an. Diese stellte Kasper die Replik eines Ölgemäldes zur Verfügung, das die frühere Bodenheimer Synagoge zeigt. Sie stand in der Rathausstraße und musste 1965 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Beim Übersetzen der Grabsteininschriften aus dem Hebräischen half ihm eine Mitarbeiterin des Landesamtes für Denkmalpflege in ihrer Freizeit. So konnte Kasper rekonstruieren, wessen Nachfahren auf dem Bodenheimer jüdischen Friedhof ewige Ruhe fanden. Oder, wer auf jüdischen Friedhöfen in Amerika und andernorts begraben ist.
Kasper besitzt 50 Aktenordner mit Unterlagen über die Familie Blum, Rosenbaum, die Beringer/Dreifus, Mayer und weitere. Präsentieren könne er aus Platzgründen freilich nur „Bruchstücke“. Auf einer Stellwand werden Fotografien der 28 Stolpersteine gezeigt, die in Bodenheim an 28 jüdische Mitbürger erinnern, die deportiert und ermordet wurden. Auch sie dienen dazu, die Erinnerung zu bewahren – genau wie die Ausstellung.