Winzer ersetzen bei Bedarf abgestorbene Reben und legen neue Weinberge an
Von Christina Miesch-Schmidt
Modernes technisches Gerät wird von den Winzern und deren Helfern zur Rebpflanzung eingesetzt. Fotos: Christina Miesch-Schmidt
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HECHTSHEIM/EBERSHEIM - Wie mit dem Lineal gezogen erstrecken sich die im Frühjahr noch kahlen Rebzeilen über Weinberge und geben den Blick frei bis weit zum Horizont. An den im März gebogenen Ruten zeigen sich erste junge Triebe. Es ist Pflanzzeit im Weinberg.
„Die Gründe dafür, neue Reben zu pflanzen, können sehr unterschiedlich sein“, sagt Marcus Clauß, Vorsitzender des Hechtsheimer Winzervereins. Meist geht es nicht nur um das Nachpflanzen abgestorbener Reben. Der Abbau eines alten Weinbergs und eine Neuanlage können notwendig werden, wenn die Erträge nach 25 bis 30 Jahren Standzeit des Weinbergs sehr stark zurückgegangen sind oder die alte Anlage den Einsatz großer Traktoren und anderer Maschinen behindert. Auch wenn die gepflanzte Rebsorte bei den Weintrinkern nicht mehr gefragt ist, könne sich für den Winzer eine Neubestockung lohnen.
Im Winzerbetrieb Zehe-Clauß steht in diesen sonnigen Frühlingstagen die Pflanzung einer neuen Rebsorte auf dem Programm. Die Regent-Reben in dem mit seinen 14 Jahren relativ jungen, oberhalb von Bodenheim gelegenen Weinberg sollen durch junge Spätburgunder-Reben ersetzt werden. Das Drahtrahmengerüst kann für die Neubestockung nach der Rodung der alten Rebstöcke bestehen bleiben; die neuen Setzlinge lassen sich dann allerdings nur per Hand einpflanzen.
DIE SERIE
Wann beginnt, wann endet ein Winzerjahr? Mit der Weinlese, mit dem Abfüllen der Flaschen oder irgendwo dazwischen? Wohl kaum irgendwo lässt sich der Kreislauf der Natur intensiver erleben als im Weinberg, begleitet von den Arbeiten des Winzers im Jahreslauf. Stellvertretend für die 29 Winzerbetriebe, die in der „Weinhauptstadt Mainz“ zu Hause sind, begleitet die AZ den Familienbetrieb Zehe-Clauß durchs Winzerjahr.
Robuste Art, die gegen die Reblaus resistent ist
Wie die meisten Winzer bezieht Clauß die jungen, veredelten Rebsetzlinge aus der Rebschule. Für die Veredelung wird ein Teilstück eines einjährigen Triebes der gewünschten Rebsorte – das sogenannte Edelreis – auf eine Unterlagsrebe aufgepfropft, dabei handelt es sich um eine robuste, reblausresistente amerikanische Rebenart. Danach werden die Reben in der Rebschule in sehr engen Abständen für etwa ein Jahr in Erde gesetzt. Im Herbst werden die veredelten Reben samt Wurzeln ausgegraben, gewachst und kühl gelagert – so lange, bis sie ab Mitte April an den Winzer ausgeliefert werden.
Die Spätburgunder-Hochstammreben liegen gebündelt auf dem Wassertank, der von einem schmalspurigen Traktor gezogen wird. Linke Rebzeile, rechte Rebzeile: Mit einer Wasserlanze sticht Tomasz Paczyk, Mitarbeiter im Weingut Zehe-Clauß, Pflanzlöcher in den bereits aufgelockerten Boden und steckt die Setzlinge, Stück für Stück, in einem Abstand von jeweils einem Meter in den Boden. 1800 Jungreben werden auf diese Weise gepflanzt, eine Arbeit, für die Markus Clauß drei Tage eingeplant hat. Doch damit ist es nicht getan. Die Neulinge wollen gehegt und gepflegt, wenn nötig, bewässert werden; die Zwischengassen müssen von Bewuchs freigehalten, die alten „Wingertsknorze“ von Hand gerodet werden. Viele Arbeitsschritte sind notwendig, um mit etwas Glück schon im nächsten Jahr einen kleineren und im dritten Standjahr einen vollen Ernteertrag zu erzielen.
Während sich Paczyk an der Grenze zur Bodenheimer Gemarkung mühsam durch die Rebzeilen arbeitet, wird auf dem neu angelegten Weinberg des Ebersheimer Weinguts „Florian & Helmut Eckert“ mittels modernster Technik ein ganz anderes Tempo vorgelegt. Hier ist der Nieder-Olmer Winzer und Landwirt Markus Debo gefragt, der sich mit seinen Maschinen auf Rebpflanzungen spezialisiert hat. In diesen Wochen ist er jeden Tag bei einem anderen Winzer im Einsatz. Mit der von einem Ackerschlepper gezogenen Pflanzmaschine durchmisst er Zeile um Zeile und hinterlässt wie mit dem Lineal gezogene Reihen kurzstämmiger Acalon-Reben, einer Kreuzung der Rebsorten Lemberger und Dornfelder. Wie das funktioniert? „GPS macht‘s möglich“, sagt Helmut Eckert und deutet auf die am Rand aufgebauten Sender. An der Maschine befindet sich der GPS-Empfänger, der für die genaueste Ausrichtung sorgt. „Wenn alle für den Weinberg berechneten Werte wie Stock- und Zeilenabstand eingeben sind, wird die Pflanzmaschine über Satellit gesteuert, sodass eine absolut gerade Rebzeile entsteht.“
Pflugschar gräbt den Boden auf
Die Pflanzmaschine selbst ist eine hochkomplexe Konstruktion. Ganz unten befindet sich eine Art schmale Pflugschar, die die Pflanzzeile aufgräbt. Nun kommen die an einem rotierenden Tellerrad befestigten Greifer, in denen jeweils eine Rebe steckt, zum Zug. An genau der richtigen Stelle öffnet sich der Greifer und der Setzling wird senkrecht in die Erde gesteckt. Kommen die geöffneten Greifarme wieder nach oben, werden sie erneut von zwei Kollegen, die rechts und links des Rades sitzen, bestückt und schließen sich wieder. Hinter dem Rad verlaufen zwei Metallschienen, die den Boden hinter der gepflanzten Rebe wieder andrücken. Für 37 Rebzeilen, die im Abstand von 2,05 Metern gezogen werden, braucht Debo mit seinem Team gerade mal einen halben Tag. Bis Mitte Mai, so sagt Winzer Eckert, soll dann auch das neue Drahtrahmengerüst stehen, an dem die durch Pflanzstäbe gestützten Reben befestigt werden.