Nicht nur die Verfolgung der Juden thematisieren, sondern ein umfassenderes Bild liefern sollen die Schautafeln in der VR-Bank. Foto: hbz/Jörg Henkel
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MAINZ - Erinnerungen sind nicht immer angenehm – besonders wenn es um die Zeit des Nationalsozialismus geht. Da mache Gonsenheim keine Ausnahme, betonte Bürgermeister Günter Beck (Grüne) bei der Eröffnung der Wanderausstellung „Gonsenheimer Erinnerungen. Jüdische Nachbarinnen und Nachbarn zwischen Integration und Ausgrenzung“ im Foyer der VR-Bank Mainz in Gonsenheim.
Dort können Besucher bis zum 8. September auf Schautafeln Informationen über das Schicksal jüdischer Bürger (die AZ berichtete mehrfach) und das Dritte Reich erhalten. Dazu kommt eine Hörstation mit Tondokumenten, in einer Sitzecke sind zudem Filmaufnahmen mit Zeitzeugen zu sehen. „Ich glaube, vor 20 Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen“, sagte Beck.
Der Bürgermeister, selbst Gonsenheimer, erinnerte an Diskussionen und Widerstände, die der Ausstellung im Weg standen. Dass Geschehnisse nun „schonungslos“ aufgezeigt werden, sei überfällig. Besonders wichtig ist Beck die Genauigkeit der Schau. „Sie nennt Namen“, sagte er. Gerade das sei umstritten gewesen.
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Die Wanderausstellung „Gonsenheimer Erinnerungen“ ist bis zum 8. September im Foyer der VR-Bank Mainz (Breite Straße 23–27) während der üblichen Öffnungszeiten zu sehen.
Vom 13. September bis zum 13. Oktober wird sie im Stadtteiltreff Gonsenheim (Am Sportfeld 7g) stehen.
Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass es bei manchen Gonsenheimern gegen Namensnennungen und die Veröffentlichung biografischer Details Vorbehalte gegeben habe. Es sei für Hausbesitzer nicht schön, wenn bekannt werde, dass ihr Haus früher jüdische Eigentümer hatte, die ihr Heim unter unwürdigen Bedingungen aufgeben mussten. Erwerben konnten diese Häuser zudem nur NS-konforme Volksgenossen, wie auf einer Tafel nachzulesen ist.
„Das Schlimmste, das Niederträchtigste in der Geschichte ist das Vergessen“, findet Dr. Kai-Michael Sprenger, Geschäftsführer des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz (IGL). Diesem „bewussten Vergessen“ wolle die Ausstellung entgegenwirken. Zugleich sollen die Tafeln nicht nur die Verfolgung thematisieren, sondern ein umfassenderes Bild liefern, ergänzte Christoph Schmieder, einer der Kuratoren. Deshalb gebe es eine zeitliche Dreiteilung – Kaiserzeit und Weimarer Republik, NS-Zeit sowie die Nachkriegszeit. Dabei dürfe aber die Phase der Integration vor 1933 nicht zu harmonisch dargestellt werden, warnte Daniel Kempin von der jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Er bezweifle, dass das damalige Zusammenleben in Gonsenheim ungetrübt war. Auf weitere Initiativen, weil längst noch nicht alles erforscht sei, hofft Co-Kuratorin Lisa Groh-Trautmann.
Der Anstoß für die Ausstellung kam laut Beck aus der Bürgerschaft: Im Oktober 2014 veröffentlichte Dr. Helmut Hochgesand in der AZ einen Text über jüdische Nachbarn. Daraus entstand die Idee einer Ausstellung, die das IGL realisierte. Unterstützt wurde das Institut von zahlreichen Privatpersonen, der VR-Bank, der Sparkasse, der Stadt Mainz, der Lotto-Stiftung Rheinland-Pfalz, dem Heimat- und Geschichtsverein Mainz-Gonsenheim sowie von Kirchengemeinden.