Bei der Kommunalwahl am 26. Mai werden auch die Ortsvorsteher aller 15 Mainzer Stadtteile gewählt. Die AZ sprach mit den Kandidaten.
Von Torben Schröder
Die Ortsmitte in Ebersheim, wo Neugasse, Weedengasse und Enggasse zusammentreffen. Hier möchten die Parteien mehr draus machen.
(Fotos: Harald Kaster)
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EBERSHEIM - Der Ebersheimer Ortsbeirat hat sich den Ruf erarbeitet, ein besonders diskussionsfreudiges Gremium zu sein. Ortsvorsteher Matthias Gill (Grüne) und seine Stellvertreterin Anette Odenweller (CDU) liegen immer wieder inhaltlich über Kreuz, Corinne Herbst (SPD) schimpfte erst im Herbst über das „Kasperletheater“, zu dem sich eine Debatte (nicht nur) ihrer Ansicht nach entwickelt hatte. Kein Wunder, dass Ortspolitik-Neuling Dieter Jung (FDP) manches Mal mit den Ohren schlackert, als im Kandidaten-Interview die rhetorischen Fetzen fliegen – allerdings stets im Rahmen des verbal Vertretbaren.
Knackpunkt ist die L 413
Einen Ortsmittelpunkt, der auch als solcher erlebbar ist, wünschen sich alle vier Kandidaten. Doch der angestrebte Weg dahin fällt unterschiedlich aus. Corinne Herbst möchte sich die typischen rheinhessischen Weinbaugemeinden zum Vorbild nehmen und hebt hervor, dass die „großen Parteien“ ihren diesbezüglich lange Zeit hinderlichen Streit überwunden hätten – unter Ausklammerung der L 413. „Die CDU will sie als Landesstraße behalten, wir hätten sie gern umgewidmet“, sagt Herbst. Also suchte man eine Lösung abseits der Töngesstraße beziehungsweise Römerstraße – und nun nach Geld im städtischen Haushalt.
Odenweller lenkt den Blick dabei auf die Weedengasse und wehrt sich gegen Gedankenspiele zur Verkehrsberuhigung im Ortskern entlang der West-Ost-Trasse, die den Verkehr in die Konrad-Adenauer-Straße lenken würde – und damit den Schulweg entlang.
Die Ortsmitte in Ebersheim, wo Neugasse, Weedengasse und Enggasse zusammentreffen. Hier möchten die Parteien mehr draus machen. Fotos: Harald Kaster
Bewerben sich bei der Ortsvorsteher-Wahl (von links): Matthias Gill, Dieter Jung, Anette Odenweller und Corinne Herbst.
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„Was im Moment im Ortsmittelpunkt läuft, ist gar nichts“, findet Jung. „Ein Ortsmittelpunkt ist dort, wo die Landesstraße entlang führt, überhaupt nicht möglich“, sagt der Liberale – und bringt eine Umgehungsstraße ins Spiel, die etwa ab der Tankstelle an der L 425 einen Bogen nördlich um den Stadtteil schlägt und auch die Zornheimer Straße mit einbezieht. „Die nehme ich auch“, sagt Odenweller – wohlweislich, dass es sich, wenn überhaupt, um eine Lösung in Jahrzehnten handelt. Gill hingegen spricht sich grundsätzlich dagegen aus, neue Straßen zu bauen, um Mobilitätsprobleme zu lösen. Sein Ziel: Die Landesstraße soll raus aus dem Ortsmittelpunkt, und der liegt für ihn nicht am Weedenplatz, sondern in der Neugasse. Diese solle verkehrsberuhigt werden. Da Ebersheim keinen Verkehr produziere, sondern genutzt werde, um Staus zu umfahren, müsse man die Durchquerung möglichst unattraktiv gestalten.
ORTSBEIRATSKANDIDATEN
Für die CDU: Anette Odenweller, Dr. Mario Müller, Karl-Heinz Friedrich, Jayme Nadine, Torsten Schwarzer, Marco Becker, Monika Neuß, Johannes Blüm, Christopher Becker, Anita Winkler, Tom Krieger, Janina Müller, Udo Hammen
Für die SPD: Hubert Heimann, Corinne Herbst, Gerd Bennemann, Sabine Tensing, Sebastian Czech, Juliane Lawall, Michael Pilgram, Eva Herbst, Jürgen Weishaar, Dr. Rudolf Büllesbach, Wolfram Berg, Werner Büchner, Kilian Schäfer.
Für die Grünen: Matthias Gill, Georg Rothenberg, Andrea Weikert, Dr. Axel Heimann, Ulrike Maier, Marco Schwickerath, Sascha Christian Waldmann, Martin Roth, Jürgen Born, Roland Hartung, Dominica Oswald, Anke Eckhardt-Würz.
Für die FDP: Dieter Jung, Helgi Schwedass, David Roos, Klaus-Dieter Thieme, Dr. Alexander Maringer, Hans Lemke, Henrika Schwedass, Johann Hombach, Martin Wenzel, und Renate Hammer-Schmidt.
Für die ÖDP: Stefan Brandt, Isabell Lonz, Bernd Salomon.
Am runden Tisch
Bei der Kommunalwahl am 26. Mai werden auch die Ortsvorsteher aller 15 Mainzer Stadtteile direkt gewählt. In Gesprächen am Runden Tisch haben die AZ-Redakteurinnen Petra Jung und Carina Schmidt in den vergangenen Wochen den Kandidaten aller Parteien auf den politischen Zahn gefühlt. Das Ergebnis lesen Sie auf stadtteilbezogenen Themenseiten. Heute geht es um Ebersheim.
Odenweller und Herbst hielten dem Ortsvorsteher vor, bei einem Vor-Ort-Termin das avisierte Planungsgebiet eigenmächtig erweitert zu haben – ein Kritikpunkt, der auch schon im Ortsbeirat verhandelt wurde und in Herbsts „Kasperletheater“-Verdikt gipfelte. Das Thema Verkehr ist eben ein leidenschaftliches. Jung und Odenweller sprechen sich für einen vierspurigen Ausbau der Rheinhessenstraße aus, Herbst ist für eine dreispurige Lösung mit einem Streifen, der morgens Richtung Stadt und abends Richtung Land geöffnet wird. Gill ist gegen jeden Ausbau der Rheinhessenstraße und plädiert ebenso wie Herbst für eine Straßenbahn nach Ebersheim, die Odenweller gern bis ins Ortsinnere fahren sehen würde. Dass der ÖPNV derzeit unattraktiv ist, darin sind sich Gill und Odenweller ausnahmsweise einig. Die CDU-Kandidatin spricht sich für Fahrradschnellwege aus.
Um den Stadtteil für junge Familien attraktiver zu machen, regt Jung die Schaffung weiterer Kindergartenplätze an. Odenweller wäre für die Einrichtung einer Ganztagsgrundschule in Angebotsform, um den Eltern die Wahlfreiheit zu lassen. Gill will den Einzelhandel stärken und bemängelt das Fehlen von „zwei bis drei Ärzten“. Herbst und Odenweller rücken auch die Schulwegsicherheit ins Blickfeld, Gill will die Schulturnhalle modernisieren und vergrößern, Jung regt einen Neubau an. Positiv sehen alle vier Kandidaten die Initiative einer Baugemeinschaft in Ebersheim. Allerdings brauchen junge Familien, wie Herbst betont, kurzfristigere Lösungen auf der Suche nach Wohnraum.
Ein viel diskutiertes Thema war im Laufe dieser Legislaturperiode auch die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets in Ebersheim. Massive Kritik zog der erste Entwurf der Stadtverwaltung zur Unterschutzstellung auf sich. „In der Urfassung war es bescheuert“, bringt es Herbst auf den Punkt. „Da wäre gar nichts mehr gelaufen“ für Jäger und Winzer, pflichtet Odenweller bei. Eine ordnungsgemäße Landwirtschaft und entsprechende Bejagung müssten gewährleistet sein. „Blöd“ fand auch Gill, dass die vorläufige Unterschutzstellung offenbar eins zu eins der Vorlage zum Gonsbachtal entnommen war. Damit sei das ganze Vertrauen, das über die Jahre mit den Landwirten aufgebaut worden ist, verspielt worden.
Nun komme, nach der Überarbeitung der Regelung, das Landschaftsschutzgebiet, „ohne dass es große Probleme für die Bauern gibt“, so Gill. Odenweller sprach von Glück im Unglück: Durch die fehlerhafte Vorlage sei das Thema überhaupt erst wahrgenommen worden. „Eine ordnungsgemäße Landwirtschaft muss möglich sein“, lautet die Prämisse der CDU-Kandidatin. Für Jung steht, wenn beispielsweise Aussiedlungen nicht möglich sind, die Existenz der Landwirte auf dem Spiel. Bei Regelungen müssten daher ihre Interessen berücksichtigt werden, ebenso die der Jäger. Einhellige Zufriedenheit äußerten alle vier Kandidaten indes mit der Sanierung der Töngeshalle.