Keine Fastnachtsverkleidung, sondern Auftrittsrobe: Die Männer vom Shanty-Chor aus Bretzenheim an der Nahe freuen sich über die sonnige Kulisse am Rhein.
(Foto: Christine Tscherner)
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BINGEN/BRETZENHEIM - Frachter ziehen vorbei, das Schifferklavier tönt und der Shantychor stimmt „Rolling Home“ an. Zu viel Klischee? Nein, perfekt. Das fanden zumindest applaudierende Spaziergänger am Rhein. Denn: Der Start in die neuen rheinland-pfälzischen Winterferien fiel frühlingshaft aus, lockte Ausflügler massenhaft ans Wasser. Über 40 singbegeisterte Herren gaben direkt an der Kaimauer ein Konzert vor Idealkulisse.
Gastgeber Heribert Kastell wendet Würstchen auf dem Grill, als stünde nicht Februar, sondern August im Kalender. Dichte Atmosphäre zwischen Spielplatz und Kranbecken ist der Lohn fürs Hafen-Motto. Zuhörer der Shantys schunkeln. Aus voller Kehle ein paar Lieder mitsingen, das wirkt wie Seelenmedizin und völlig unkompliziert.
Peter Mündrich als Initiator der Chor-Idee traf vielleicht deshalb vor gut zwei Jahren genau ins Schwarze. Von zwölf auf 45 Männer wuchs seine Sängerschar so rasant an, da reiben sich herkömmliche Gesangsvereine von Harmonie bis Liederkranz die Augen. Montagsproben in der Bretzenheimer Kronenberghalle sind Kult, der Abschluss im „Grünen Baum“ sowieso.
„Wir haben sogar zehn ehemalige Seeleute in unseren Reihen“, sagt der Chorleiter. Gemeinsam ist allen Männern die Liebe zur See und zu traditionsreichen Liedern. „Spaß an der Freud‘“ steht den Sängern beim Freiluftauftritt ins Gesicht geschrieben.
Moderatorin und Nordlicht Ina Müller hat „De Tampentrekker“ seit 2007 in ihr Late-Night-Programm integriert. Als Teil des „Schellfischpostens“ erlangten die Männer von der Elbe auch im Rest der Republik Bekanntheit. Die Bretzenheimer Neugründung schwimmt die Welle mit.
Über mangelndes Interesse können sich die Shantys von der Nahe nämlich nicht beklagen. Der Draht nach Bingen ist eng. Einen Auftritt beim Lotsenverein vor ein paar Monaten ließen die Sänger in Matrosenkluft mit spontanen Zugaben am Zollamt ausklingen. Das bescherte den Spaßsängern das offizielle Engagement auf der Promenade.
„Thematisch passt das perfekt zur Hafenbar“, sagt Heribert Kastell. Und für Seemannslieder bietet die Kulisse sogar deutlich besseres Ambiente als Adventskonzerte in Kirchen oder Kirmesauftritte. Akkordeon, E-Bass, Akustik-Gitarre, Mundharmonika und hölzernes Cajon legen den Instrumentalsound zum maritimen Liedgut. Das Repertoire umfasst traditionsreiche Titel von „La Paloma“ bis „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“.
Der musikalische Gruß aus dem Norden beschert Bingen definitiv eines: den Gute-Laune-Impuls zum Ferienstart. Die neue Hafenbar beweist gerade in der Fastnachtssaison mit Matrosen-, Piraten- und Shantyflair ein Händchen fürs Motto. Wetterglück macht sogar den Frühstart in die touristische Saison möglich. Den Rhein inszenieren als wäre er ein Meer und das Ufer als Ort für Fernweh? Passt.