Die Neugestaltung der Binger Straße zwischen Münster- und Alicenplatz gilt als richtungsweisend für die künftige Verkehrsplanung. Der MVG-Geschäftsführer erläuterte jetzt Details.
MAINZ. Der Fahrbahnabschnitt der Binger Straße zwischen Münsterplatz und Alicenplatz mag nur 250 Meter lang sein. Seine geplante Neugestaltung jedoch gilt als richtungsweisend für die gesamte künftige Verkehrsplanung der Mainzer City. Der Verkehrsraum für Autos – im Planersprech: der „motorisierte Individualverkehr“ (MIV) – soll zugunsten von Zweirädern, Bussen und Bahnen deutlich reduziert werden.
„Zeitinsel-Haltestelle“ für Fahrgastwechsel geplant
Die Idee stößt offenbar auf breite Zustimmung. Das zeigte die aktuelle Sitzung des Verkehrsausschusses, in der Jochen Erlhof, Geschäftsführer der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG), den aktuellen Sachstand referierte und zu der auch die Ortsbeiräte der Altstadt und der Neustadt eingeladen waren.
Lob gab es zudem für die Art und Weise, wie die MVG die Bürgerbeteiligung an diesem Projekt handhabt. Diskussionsbedarf besteht allerdings noch in Detailfragen. Wie berichtet, sollen voraussichtlich ab 2025 zwei Straßenbahntrassen durch diesen Straßenabschnitt verlaufen. Sie ermöglichen den vom Schillerplatz kommenden Trams, die Richtung Finthen und Bretzenheim unterwegs sind, den Haltepunkt Hauptbahnhof West anzufahren, ohne zuerst den Bahnhofsvorplatz anzusteuern.
Das schafft eine schnellere Anbindung an die Stadtteile und entlastet die Verkehrssituation um den Hauptbahnhof. Zu diesem Zweck sollen einer der bislang vier Pkw-Fahrstreifen sowie die beiden Parkstreifen in diesem Teil der Binger Straße wegfallen.
Platz geschaffen werden soll jedoch nicht nur der Tram, sondern vor allem auch dem Radverkehr. Stadteinwärts steht zwischen Aliceplatz und der Einmündung der Hinteren Bleiche künftig ein 2,50 Meter breiter Radweg zur Verfügung, der anschließend auf einem 1,75 Meter breiten „Schutzstreifen“ weitergeführt wird. Das Linksabbiegen in die Hintere Bleiche wird mit einer Signalanlage erleichtert. In diesem Bereich soll zudem eine 3,50 Meter breite „Zeitinsel“-Haltestelle entstehen, an der der Verkehr per Ampel kurzfristig gestoppt werden kann, um einen gefahrlosen Fahrgastwechsel zu ermöglichen.
Der von der Großen Bleiche kommende, stadtauswärts gerichtete Radverkehr wird wie aktuell als „Protected Bike Lane“ gestaltet, ab der Bahnhofsstraße aber auf Gehwegniveau angehoben. In seinem weiteren Verlauf wird der Radweg auch auf dieser Seite 2,50 Meter breit bis zum Alicenplatz weitergeführt.
Ex-Behindertenbeauftragte lobt Bürgerbeteiligung
Abweichend von der Planung, die im März dem Stadtrat präsentiert wurde, sollen nun auch die Einmündungsbereiche der Hinteren Bleiche auf Gehwegniveau angehoben werden. Autos dürfen den Abschnitt weiterhin befahren, sind aber wartepflichtig.
Grundsätzlich sieht der Verkehrsausschuss diese Planung positiv, auch wenn zu einzelnen Punkten Fragen bleiben: Genügt der an den Zeitinsel-Haltestellen vorgesehene Stauraum? Sind in den vorgesehenen Ladezonen für die anliegenden Gewerbetreibenden nicht Konflikte mit dem Radverkehr zu erwarten?
Christoph Hand (Bündnis 90/Die Grünen), Ortsvorsteher der Neustadt, erscheinen die überdachten Haltestellen-Bereiche, wie sie bislang geplant sind, zu klein. Immerhin ist angedacht, sie zu begrünen, doch das könnten sie auch in einer größeren Variante sein.
Als Stadtratsmitglied mit beratender Stimme lobte Marita Boos-Waidosch, ehemalige Behindertenbeauftragte der Stadt Mainz, wie umfassend die MVG die Bürger an dem Projekt beteilige – hier werde insbesondere auch inklusiv gedacht. Wie Jochen Erlhof berichtete, werden die Interessenbeiräte in insgesamt fünf Schritten einbezogen. Der dritte sei bereits vollzogen, wobei viele Anregungen gesammelt wurden. Im Januar sollen die Sitzungen fortgesetzt werden.
Auch Brian Huck, Ortsvorsteher der Altstadt, erlebt das Vorhaben in seinem Stadtteil keinesfalls als „strittig“. Er wünscht sich für die Zukunft „keinesfalls weniger, sondern eher mehr Straßenbahn“ in Mainz. Allerdings müsse in diesem Zuge auch der Verkehr durch die Große Bleiche „neu gedacht“ werden.
Ein Punkt, der auch in den Beratungen der Ausschussmitglieder immer wieder angeschnitten worden war – und den in der anschließenden Bürgerfragestunde Friedrich Demmler noch einmal deutlich herausstellte.
Anlieger: Verengung auf eine Fahrbahn wenig sinnvoll
Der Geschäftsführer des Wirth-Kinderladens, der von seinem Büro aus, aber auch als passionierter Radfahrer täglich mit der Situation in der Großen Bleiche und am Münsterplatz konfrontiert wird, hält es für wenig sinnvoll, den Pkw-Verkehr in der Binger Straße auf eine Fahrbahn zu verengen, solange der Durchgangsverkehr in der Großen Bleiche weiterhin besteht.
Insbesondere, wenn sich allabendlich die Ministerien in und um die Bauhofstraße „entleeren“, käme dieser schon jetzt regelmäßig zum Erliegen.