Tatorte des Nationalsozialismus in Mainz

Die Jury-Ergebnisse zum Studentenprojekt „Blinde Flecken – Tatorte des Nationalsozialismus in Mainz“ wurden im Lux-Pavillon der Hochschule präsentiert. Die öffentliche Ausstellung wird im Herbstzu sehen sein. Foto: hbz/Kristina Schäfer
© hbz/Kristina Schäfer

Studierende der Hochschule Mainz haben die Spuren des Nationalsozialismus in Mainz aufgespürt und die „Blinden Flecken“ sichtbar gemacht. Jetzt hat sich eine Jury damit...

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MAINZ. Dem nationalsozialistischen Machthunger entging keiner. Man wurde Täter, schaute weg oder geriet selbst zum Opfer. Die Verdrängung nach dem Krieg begann in den Familien, wurde Teil der Rechtsprechung und Politik.

Die Spuren des Nationalsozialismus in Mainz aufzuspüren und ins Heute zu transformieren, war Thema eines szenografischen und architektonischen Projektes der Mainzer Hochschule des Fachbereichs Gestaltung. Unter Projektleitung von Prof. Wolf Gutjahr (Szenografie) und Prof. Antje Krauter (Baukonstruktion und Entwurf) forschten im Sommersemester Innenarchitektur-Studenten zum Thema „Blinde Flecken – Tatorte des Nationalsozialismus in Mainz“. Aufgabe war, die Verbindung von Orten und Gebäuden mit dem Nationalsozialismus sichtbar werden zu lassen.

Im Lux-Pavillon der Hochschule wurden die Juryergebnisse präsentiert, in der die studentischen Arbeiten in Anwesenheit von Vertretern der Projektpartner „Landeszentrale für politische Bildung“ und „Haus des Erinnerns“ bewertet wurden. 18 von 27 Arbeiten wurden ausgestellt und bewertet, von denen sechs mit Preisen der Jury bedacht wurden, der neben Antje Krauter und Wolf Gutjahr noch Regina Stephan (Vizepräsidentin Hochschule), Cornelia Doldt (Haus des Erinnerns) und Angelika Arenz-Morch (Gedenkstätte Osthofen) angehörten.

Orte, mit denen sich die Studenten auseinandersetzten, waren die NSDAP-Kreisleitung im Schönborner und Osteiner Hof, Gefängnisse im Dalberger Hof und der Diether-von-Isenburg-Straße, Internierungslager wie das Deportationshaus in der Adam-Karrillon-Straße, Turnhallen der Goethe- und Feldbergschule, das Zwangsarbeiterlager am Goetheplatz und die Verladerampe am Güterbahnhof in der Mombacher Straße.

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Eine Anerkennung der Jury bekam Anastasyia Okshina für ihre Arbeit „Enge“. Die Wohnung der Studentin in der Adam-Karrillon-Straße diente einst als Judenlager, in dem in klaustrophobischer Enge 50 Juden zum Abtransport untergebracht waren. Sie begibt sich zusammengekauert, schweigend, meditierend, forschend und einen Grundriss erstellend in diese Räume.

Den ersten Preis Architektur erhielt die Arbeit „Versus“ von Zeliha Yüksel. Das heute denkmalgeschützte Gebäude in der Kaiserstraße 31 war früher Außenstelle der Gestapo Darmstadt. Die Studentin begegnet der barocken Fassade durch eine Umzingelung mit Stelen aus Streckmetall als Kontrast, die monumentale Strenge und Kälte vermitteln sollen wie einstige NS-Bauten. Der zweite Architekturpreis ging an Nina Ludwig für ihre Arbeit „Rampe“ und „Spuren in die Zukunft“. Vom Güterbahnhof in der Mombacher Straße aus gingen Deportationen in die KZ. Sie entwarf eine sieben Meter hohe Rampe mit Blickkontakt zum jüdischen Friedhof als Weg der Erinnerung.

Den ersten Preis Szenografie erhielt Ina Bernsdorf für ihr Projekt „Lichtspielhäuser“. Zwölf Kinos dienten zwischen 1933 bis 1945 zur Indoktrination und Zerstreuung. Nie wurden in Mainz mehr Kinobesucher gezählt wie im Kriegsjahr 1942. Am Beispiel Capitol zeigte sie die Unterschiede auf.

Der zweite Preis Szenografie ging an den „Schwellclub“ von Lukas Kunze. Seit 1927 die Meenzer Schwellköpp in die Fastnacht eingeführt wurden, stellen sie eine Besonderheit dar.

Victoria Klettenhofer erhielt den Sonderpreis der Mainzer Hochschule für ihr Bücherverbrennungsprojekt „Im Weg“. Sie verbindet Straßen und Orte der nationalsozialistischen Barbarei mit (projizierten) Texten verfemter Mainzer Dichter wie Carl Zuckmayer oder Anna Seghers. Die Umbenennung NS-belasteter Straßennamen ist wohl keine dringliche Maßnahme. Aber warum sollte der 117er Ehrenhof nicht wieder wie vor 1933 Forsterplatz heißen?

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Von Fred Balz