Starke Nachfrage bei neuer Mainzer Hebammenzentrale

Das Kernteam der Mainzer Hebammenzentrale: Sabrina Eckhard (links) und Miriam Deutsch. Sie vermitteln Hebammen und Familien.
© Sascha Kopp

Bereits 78 Hebammen machen mit, 325 Anfragen von Schwangeren konnten vermittelt werden. Eine erste Bilanz und wie mit nicht versicherten Frauen verfahren wird.

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Mainz. Die mühsame Recherche nach Hebammen in Mainz und Umgebung, die anschließend zahlreichen Anrufe und Mails, die mit Absagen quittiert werden – all das soll es seit der Einrichtung der Hebammenzentrale nicht mehr geben. Und tatsächlich ziehen Miriam Deutsch und Sabrina Eckhard eine zufriedene Bilanz. Im Frühjahr 2022 haben die beiden Hebammen ihre Arbeit in der Zentrale aufgenommen, die beim Pro Familia Zentrum Mainz angesiedelt ist. Ihre Kernaufgabe: Eltern und Hebammen zueinander zu vermitteln. Darüber hinaus bieten Eckhard und Deutsch telefonische Beratung, Informationen für Hebammen und Fachkräfte sowie Fortbildungen an. In dringenden Fällen werden von einem Team aus zehn Hebammen auch akute Hausbesuche durchgeführt.

Seit März haben sich bereits 78 Hebammen dem Vermittlungsnetzwerk angeschlossen, wie Eckhard berichtet: „Sie stammen etwa zur Hälfte aus Mainz und zur anderen Hälfe aus dem Landkreis Mainz-Bingen.” Insgesamt gebe es rund 120 Hebammen. Ziel sei, dass langfristig alle mitmachen, weshalb die Mitarbeiterinnen der Zentrale weiter kräftig die Werbetrommel rühren. Die Aufnahme ins Netzwerk verpflichte nicht dazu, auch die Akutversorgung zu übernehmen, betont Eckhard. Anfragen von schwangerer Frauen und frischen Müttern beziehungsweise Eltern habe es 400 gegeben. „325 konnten wir vermitteln.”

Beratung beim Stillen oder Problemen wie Milchstau gibt es bei der Hebammenzentrale telefonisch, im Akutfall kommen auch Hebammen nach Hause.
Beratung beim Stillen oder Problemen wie Milchstau gibt es bei der Hebammenzentrale telefonisch, im Akutfall kommen auch Hebammen nach Hause.
© Sascha Kopp
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Wer bei der Suche leer ausging, konnte aber über die Akutversorgung trotzdem Hilfe erfahren. 48 Familien mit insgesamt 75 Hausbesuchen haben dies in Anspruch genommen. „Tendenz steigend”, sagt Deutsch. Zu den Themen oder Beschwerden zählen in der Regel Stillschwierigkeiten, Milchstau, Nabelheilung oder auch starker Gewichtsverlust des Kindes. Die Betroffenen seien extrem dankbar für die Unterstützung, die sie dann erfahren, berichten Deutsch und Eckhard: „Wir bekommen regelmäßig Mails, in denen steht: Ihr macht eine tolle Arbeit.”

Die Hebammen seien ebenfalls sehr engagiert, weiß Deutsch: „Anfangs haben bei der Akutversorgung manche Kolleginnen nur ein bis zwei Dienste im Monat übernommen. Inzwischen sind es vier.” Wie Ellen König aus der städtischen Pressestelle informiert, bekommen die Hebammen für das Bereitstellen der Kapazitäten (vier Stunden) von der Stadt eine Grundpauschale in Höhe von 80 Euro pro Tag gezahlt.

Dr. Gisela Hilgefort, die Geschäftsführerin von Pro Familia, will künftig auch Zielgruppen wie Frauen mit Migrationshintergrund erreichen, die bislang noch gar nicht wussten, dass sie einen Anspruch auf Hebammenleistungen haben. „Dazu möchten wir in Kontakt mit Kinderarztpraxen, Kitas und sozialen Einrichtungen treten”, kündigt sie an. Um diese Präventionsarbeit leisten zu können, müssten von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aber noch Fördermittel fließen, die auch beantragt werden sollen.

Um auch andere Zielgruppen zu erreichen, möchten wir in Kontakt mit Kinderarztpraxen, Kitas und sozialen Einrichtungen treten.

Dr. Gisela Hilgefort Geschäftsführerin der Pro Familia Beratungsstelle
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Für nicht versicherte schwangere Frauen wurde zwischenzeitlich auch eine Lösung gefunden. Wie mehrfach berichtet, hatten dies vor allen Dingen die Linken im Stadtrat wiederholt gefordert. Nun gibt es mit dem Verein „Armut und Gesundheit” einen Vertrag, der die Bedingungen zur Unterstützung regelt. Laut Ellen König findet bei „Armut und Gesundheit” eine Bedürftigkeitsprüfung nach festen Kriterien statt. Die Kosten werden übernommen, wenn die Frauen in Mainz wohnen oder sich dort aufhalten, wenn eine Wiederaufnahme in eine Krankenkasse über die Clearingstelle des Landes nicht gelingt und weder ausreichendes Einkommen noch ein zahlungsfähiger Kindsvater verfügbar sind.

Finanzielle Unterstützung von Stadt und Landkreis

Von städtischer Seite aus werden jährlich 14.500 Euro für nicht versicherte schwangere Frauen bereitgestellt. Der Landkreis Mainz-Bingen hat im Haushalt 5.000 Euro reserviert. Für Mainzerinnen wird auch eine Geburtspauschale übernommen, für Frauen aus dem Landkreis nicht. Geld für eine Erstausstattung gibt es grundsätzlich nicht. Wie Kreis-Pressesprecher Bardo Faust informiert, sei von dem Geld für nicht versicherte Schwangere noch nichts abgerufen worden. Anders sieht es in Mainz aus. Laut Nele Wilk von „Armut und Gesundheit” konnten 2022 von drei Frauen die Kosten übernommen werden.

Dann stehen wir vor dem Dilemma und müssen die Frauen entweder nicht behandeln oder dies ehrenamtlich tun.

Michaela Michel-Schuld Professorin für Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen

Zwei Frauen fielen allerdings durchs Raster, weil ihre Partner ein geringes Einkommen hatten, wie Wilk ausführt. Und das ist für Michaela Michel-Schuldt auch der Wermutstropfen an dem Kriterienkatalog. Die Professorin für Hebammenwissenschaft arbeitet ehrenamtlich als Hebamme bei „Armut und Gesundheit”. Natürlich wurden diese beiden Frauen behandelt, erzählt sie. Aber die Kolleginnen blieben auf den Kosten zwischen 600 und 800 Euro sitzen.

Michel-Schuldt sieht aber auch ein ethisches Problem an der Regelung, wenn das Einkommen des Mannes bei der Berechnung eine Rolle spielt. „Die Logik dahinter verstehe ich. Aber das bringt die nicht-versicherten Frauen in eine Abhängigkeit zu den Männern”, betont sie. Hinzu komme, dass deren Gehalt zwar zu hoch für die Kostenübernahme von der Stadt sei, aber auch zu niedrig, um eine Hebammenleistung selbst bezahlen zu können. „Dann stehen wir vor dem Dilemma und müssen die Frauen entweder nicht behandeln oder dies ehrenamtlich tun.”