Plauderei bei trockener Scheurebe – und auch Kritk

Die jährliche Weinbergsbegehung führt Oberbürgermeister Ebling (2.v.re.) durch Hechtsheimer, Ebersheimer und Laubenheimer Wingerte. Foto: hbz/Stefan Sämmer
© hbz/Stefan Sämmer

Bei der jährlichen Weinbergsbegehung durch Mainzer Lagen sucht OB Ebling den Gedankenaustausch mit Winzern, muss sich aber auch herbe Kritik anhören, so zu Landschaftsschutzplänen.

Anzeige

MAINZ. Offiziell erledigt so ein Oberbürgermeister natürlich alle Verpflichtungen, die er von seinen Vorgängern geerbt hat, gerne. Dass er da im einzelnen aber insgeheim schon ein wenig differenziert, liegt auf der Hand. Wie sich das wohl mit der jährlichen „Weinbergsbegehung“ verhält? Sie sieht vor, an einem späten Nachmittag im frühen Herbst nacheinander die drei weinbautreibenden Mainzer Stadtteile anzufahren und zu erkunden, „wie de Woi werd“.

Die jährliche Weinbergsbegehung führt Oberbürgermeister Ebling (2.v.re.) durch Hechtsheimer, Ebersheimer und Laubenheimer Wingerte. Foto: hbz/Stefan Sämmer
In Ebersheim muss sich Ebling auch trocken-herbe Kritik an Landschaftsschutzplänen gefallen lassen. Foto: hbz/Stefan Sämmer

Das Event wurde in den 1970er Jahren von Jockel Fuchs persönlich erfunden, ist daher aus dem Terminkalender aller Mainzer Stadtchefs, die nach ihm kamen und kommen werden, unstreichbar.

Dass notorische Schelme behaupten, die allzeit lebensfrohe Bürgermeisterikone habe die Idee mehr aus Wein- denn aus Wissensdurst geboren, spielt keine Rolle.

Anzeige

Michael Ebling, der nunmehr dritte Fuchs-Nachfolger, bekommt allerdings erst mal kräftig um die Ohren, als er am Joachimskreuz von seinen Gastgebern empfangen wird. Erst umtosen ihn Gewitterböen, dann erklären ihm anwesende Agrarschaffende, was sie von der Idee halten, in ihrer Gemarkung ein Landschaftsschutzgebiet auszuweisen: nichts. Stefan Franz, Erster Vorsitzender des Bauern- und Winzervereins Mainz-Ebersheim, sagt’s deutlich, Teilzeitwinzer Albin Schmitt sehr deutlich.

Der OB reagiert staatsmännisch: Noch sei das letzte Wort da nicht gesprochen, sicher könne noch ein Kompromiss gefunden werden, und überhaupt: „Ist doch schön, dass wir so direkt miteinander reden können.“ Weswegen aber ist er nochmal hier? Richtig: Er wollte wissen, wie „de Woi werd“.

Winzerin Dr. Eva Vollmer gibt erste Hinweise: „Er hängt am Stock, so prall und voll.“ Will sagen: Der „hitzige“ Sommer ist den Trauben blendend bekommen, nur „kann da auch die ein oder andere Mogelpackung dabei sein.“ Für sie ist es eher stressig, dass sie seit Wochen alle möglichen Medien um Expertisen bitten, wie sich die globale Klimaerwärmung auf den örtlichen Weinbau auswirke ... „Anscheinend glauben die, ich kenn mich damit besonders gut aus.“ Liegt wohl am „Dr.“ vorm guten Winzernamen.

Immerhin bekommt der OB ein paar Meter weiter, am „Andrea-Gedächtnisplätzchen“, endlich „Rheinhessen ins Glas“. Winzerin und Kulturbotschafterin Alexandra Becker schenkt eine trockene Scheurebe aus. Weil sie nach Heimat schmeckt. Dazu reicht Vollmer einen Weißburgunder. Die Weinbergsbegehung ist am Gaumen angekommen. Marcus Clauß vom Weingut Zehe-Clauß sorgt jedoch erst mal für lange Gesichter, als er die Delegation am Zöllerkreuz in Mainz-Laubenheim empfängt: Er bietet Anti-Alkoholisches an. Einen Traubensaft-Secco. Aber, Überraschung: Der Stoff mundet. Sehr sogar. Längst nicht so süß wie befürchtet, sondern charaktervoll. Und das ohne Promille... Damit die Begeher dennoch ihr Level halten, gießt Clauß Winzerperle vom Feinsten nach: einen Blanc Sekt brut nature. Und damit die Magenwände stabil bleiben, verteilt Horst Hünerkopf eine Runde seines nach ihm benannten Halbbitters. Rheinhessen ist eben Vielfalt.

Es wird hemdsärmlig: Ortsvorsteher Gerhard Strotkötter erklärt dem Gast mit großer Geste ins Landschaftspanorama, wo sich Bodenheim, Nackenheim und, ganz wichtig, Mainz-Laubenheim befinden. Das hat der bestimmt schon immer mal wissen wollen. Michael Ebling revanchiert sich, indem er preisgibt, mit welchen Versprechungen Jockel Fuchs seinen „Buddy“ und damaligen Laubenheimer Bürgermeister Erich Koch seinerzeit überzeugte, sich von Mainz eingemeinden zu lassen.

Anzeige

Da dies historisch nicht verbürgt ist, kann es von einer seriösen Zeitung nicht wiedergegeben werden. Nur soviel: Demnach hätte „de Jockel“ nicht eines seiner Versprechen gehalten.

Zum Finale reist die Delegation nach Mainz-Hechtsheim, zum Hof von Bernhard Stenner. Der trumpft mit Grauburgunder, Sauvignon Blanc und Rosé auf. Dazu werden Pellkartoffeln, Wurst und Käsecreme gereicht, die nebenan, im Weingut Lemb-Becker, angerichtet wurden. In „Hexem“ wird Nachbarschaftshilfe eben noch groß geschrieben.

Wie „de Woi“ 2018 werd? Keine Ahnung, aber der, der bereits in Flaschen gefüllt ist, ist sehr gut.