Schmecken die in Tiefkühlschränken gelagerten Speisen? Die Stadt hat die AZ zum Probeessen in eine Mainzer Kindertagesstätte eingeladen.
MAINZ. „Rolle rolle rolle, der Teller ist gleich volle“, rufen die Drei- bis Sechsjährigen im Chor. Die teils heftig geführte Diskussion über Frischeküche oder Tiefkühlkost bei der Kita-Verpflegung könnte nicht weiter weg sein, als an diesem Mittag in der Bretzenheimer Kita Gartengewann. Kein Gemäkel, keine blöden Sprüche übers Essen. Heute ist aber auch ein besonderer Tag mit besonderen Gästen. An einem der kleinen Tische sitzen Sozialdezernent Eckhart Lensch (SPD), der Abteilungsleiter Kitas Thomas Hauf, eine AZ-Reporterin und ein Fotograf. Ein Probeessen für die AZ, zu dem Lensch nach der kontrovers geführten Debatte des Sommers über Frischküche oder Tiefkühlkost in Kitas eingeladen hat.
In der Bretzenheimer Kita werden vorgekochte und tiefgekühlte Menü-Komponenten eines Caterers in einem Dampfgarer erhitzt. In mehreren Tiefkühlschränken werden die großen Tüten und Verpackungseinheiten gelagert, einmal in der Woche liefert der Caterer aus seinem Lager nahe Frankfurt an. „Cook-and-Freeze“ heißt das System. 111 Kinder essen aktuell in der Ganztagskita zu Mittag, in zwei Schichten. Auch eine logistische Herausforderung für Leiterin Gabi Bachran und das Erzieherteam. Auch die Erzieherinnen essen mit und zumindest an diesem Tag hört man von ihnen keine Kritik am Essen.
Kita-Essen könnte so auch auf privaten Tischen stehen
Probeessen bedeutet, dass auf die Kinder ausnahmsweise ein kleines Buffet wartet, auf dem eine Auswahl der verschiedenen Gerichte des Kita-Caterers steht. Nils aus der Sternchengruppe freut sich. Es gibt heute neben dem Buffet auch Suppe, das Lieblingsessen des Fünfjährigen. Die gebundene Gemüsesuppe mit Karotten- und Kartoffelstückchen könnte so auch auf heimischen Esstischen stehen. Keine Sterneküche, aber normale Hausmannskost, die nicht nach geschmacksverstärkender Universalwürze schmeckt, wie sie in vielen privaten Haushalten gern auf den Tisch kommt.
Vor der warmen Hauptspeise gibt es Rohkost, die vor Ort vom Küchenpersonal klein geschnippelt und von den Kindern verteilt wird. Heute sind das bunte Paprikastücke. Am Buffet haben Kinder und Gäste unter anderem die Wahl zwischen paniertem Fisch, paniertem Gemüseburger, Kartoffel, Reis und gemischtem Gemüse, Fleischbällchen in heller Soße und grünem Salat. Und auch hier entsteht der Eindruck, noch bevor man probiert hat: Auch das könnte so auf jedem privaten Mittagstisch stehen.
Kinder beschweren sich nicht
Auf dem Teller der Reporterin liegen die Fleischbällchen, Fisch und Gemüseburger, Reis, Kartoffeln und Karottengemüse. Subjektives Fazit nach dem Essen: Die Fischpanade ist bestimmt nicht jedermanns Geschmack, aber ok, Eigengeschmack hat der Fisch darunter aber kaum noch. Beim Gemüseburger schmeckt vor allem die Panade hervor, die Gemüsefüllung ist geschmacklich nicht als solche zu erkennen. Die Fleischbällchen sind ein bisschen zu fest geraten, wahrscheinlich ist der Fleischanteil nicht besonders hoch. Und die Soße schmeckt nach Fertigprodukt. Der Reis schmeckt gut, die Karotten ein bisschen wässrig. Und Kartoffeln gehören definitiv zu den Lebensmitteln, die man nicht einfrieren und wieder im Dampfgarer erhitzen sollte. Konsistenz und Geschmack leiden erheblich.
Von einem „Genuss“ zu sprechen, wäre sicher übertrieben. Das Essen ist aber weder ungenießbar noch unappetitlich noch eine Katastrophe – eher durchschnittliche Kantinenkost mit Höhen und Tiefen.
Die Drei- bis Sechsjährigen essen mit Appetit und ohne Kritik. Ob dies der Maßstab für die Verpflegung von Kindern sein sollte, die durchaus erfahren und lernen dürften, welche Geschmacks- und Genusserlebnisse eine Küche zu bieten hat, ist eine andere Frage. Menschen, die sich mit Lebensmitteln beschäftigen, die kochen können und ohne Fertigprodukte auskommen, werden vermutlich nicht richtig glücklich mit dem Essen. Aber sieht und schmeckt das jeder so? Wer im Lebensmittelgeschäft in die vielen Einkaufswagen mit Fix-Produkten aus der Tüte, Tiefkühlwaren und industriell gefertigten Gerichten blickt, muss sich auch fragen, welchen Wert der durchschnittliche Haushalt auf Frischküche und echten Genuss legt. Und welche Eltern überhaupt noch kochen können.
Von Alexandra Eisen