Nach Angriffen auf Tauben: Mainzer Tierheim-Mitarbeiter...

Tierpflegerin Dagmar Diehl kümmert sich um die misshandelten Tauben. Foto: hbz / Michael Bahr

Die Mitarbeiter des Mainzer Tierheims, die sich unter anderem um die vor zwei Wochen angezündeten Tauben kümmern, sind fassungslos. Sie wissen jedoch auch um das Problem mit...

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MAINZ. Viel Zeit zum Nachdenken hatten Dagmar Diehl und das Team des Mainzer Tierschutzvereins nicht. Erstmal ging es darum, nicht ins Grübeln zu kommen, sondern einfach zu funktionieren. Und irgendwie die attackierten Tauben zu retten.

Das war bei den beiden angezündeten Vögeln vor zwei Wochen so. Das war beim dritten Tier, das wahrscheinlich zur gleichen Zeit gequält, aber erst eine Woche später gefunden wurde, der Fall. Und auch bei der jüngsten Tat, als eine Taube mit einem Projektil angeschossen wurde, ging es den Tierheim-Mitarbeitern nicht anders.

Alle Tauben haben überlebt

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Die gute Nachricht: Allen vier Tauben geht es im Moment soweit gut – was nach den Angriffen keine Selbstverständlichkeit ist. Schließlich waren die Verletzungen massiv. „Wir mussten bei den verbrannten Vögeln zwei Tage bangen“, sagt Diehl, die Tierpflegerin für Kleintiere. Bei einer Taube war nicht nur das Gefieder, sondern auch das Auge verschmort, bei der zweiten das Bein verkokelt. Es musste amputiert werden. Auch beim vierten, kürzlich angeschossenen Tier musste ein Teil des Flügels abgenommen werden. Drei der vier sind zurzeit im sogenannten Aufpäppel-Raum des Kleintierhauses, der proppenvoll ist. Die vierte Taube wird im Kleintierzentrum in Walluf behandelt. In allen Fällen ermittelt die Kriminalpolizei und sucht nach den Tätern.

Die größte Herausforderung bei der Erstversorgung war, die Körpertemperatur der Vögel in den Griff zu kriegen. Durch die Verbrennungen war die eigene Regulierung stark gestört. „Wir mussten sie dauerhaft kühlen, wie bei Kindern etwa Wadenwickel machen“, sagt Diehl. Außerdem musste das Tierheim Infusionen, Antibiotikum und hoch dosierte Schmerzmittel geben. Wenn Dagmar Diehl an die angegriffenen Tauben denkt, fühlt sie „absolut blankes Mitleid, bis hin zu Fassungslosigkeit und Hass“. Es sei ihr unverständlich, wie man so auf Tiere losgehen könne.

„Das Problem ist ein von Menschen gemachtes“

Auch wenn die ausgebildete Tierpflegerin zwischen den drei angezündeten und der angeschossenen Taube keinen Zusammenhang sieht, reiht sich auch der jüngste Übergriff in eine für sie erkennbare Entwicklung ein. Denn: Die Zahl der Zwischenfälle, aber vor allem die Skrupellosigkeit der Tierquäler nähmen zu. Um diesen Trend zu bestätigen, müsse sie nur einen Blick in das volle Aufpäppel-Zimmer werfen. „Normalerweise ist es nur zur Hälfte gefüllt.“

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Doch Diehl weiß auch, dass es in der Stadt zu viele Tauben gibt. „Das Problem ist aber ein von Menschen gemachtes“, sagt sie. Die Vögel seien keine Wildtiere, sondern „verwilderte Haustiere“. So seien Stadttauben häufig die Nachfahren von Zuchttauben oder Brieftauben, die für Sportwettkämpfe ausgesetzt werden. Letztlich gebe es keinerlei Regulation der Population, die Tauben seien sich selbst überlassen und würden so alles andere als artgerecht gehalten, so Diehl. „Ein ausgewachsenes Tier braucht etwa 40 Gramm Körnerfutter am Tag. In der Stadt kommt es auf einen Bruchteil der Menge.“

Augsburger Modell auch als Lösung für Mainz?

Dagmar Diehl ärgert dieser Zustand, vor allem, weil aus ihrer Sicht für das Problem längst eine Lösung da ist: das sogenannte Augsburger Modell. Demnach gibt es in der Stadt feste, von Tierheimen betreute Taubenschläge. „Dort verbringen die Tiere 70 Prozent des Tages und werden gefüttert. Außerdem wird der Schlag sauber gehalten“ Ein weiterer Vorteil: Wenn die Tiere brüten, werden ihre Eier durch künstliche ersetzt, sodass die Population sinkt. Bis nach Mainz hat es dieses Modell noch nicht geschafft. „Wir sind mit der Stadt in Gesprächen. Aber es gibt weder Flächen noch Gelder. Und viele Immobilienbesitzer stellen lieber Spikes auf, anstatt das Problem wirklich anzugehen“, sagt Diehl.

Die Kleintierpflegerin hofft, dass das Thema bald noch mal angegangen wird. „Damit die 400 bis 450 Tauben in unserem Schlag nicht noch mehr zusammenrücken müssen.“ Und sich Vorfälle wie in den vergangenen Wochen nicht wiederholen.

Von Bastian Hauck