Die Halle 45 leer, das musikalische Duo allein auf einem Teppich inmitten viel freier Fläche, auf der sonst 2000 Stühle stehen: Sascha Bendiks und Simon Hoeness lernen das...
MAINZ. Die Halle 45 leer, das musikalische Duo allein auf einem Teppich inmitten viel freier Fläche, auf der sonst 2000 Stühle stehen. Es ist ein Bild mit Symbolkraft, das sich beim Auftritt von Sascha Bendiks und Simon Höneß bietet. H45.tv nennt sich die Veranstaltungsreihe mit täglichem Musik- und Talk-Programm, dem man Corona-bedingt nur per Internet-Übertragung zuschauen kann. Künstler ohne Publikum, das ist der triste Lebensalltag vieler Kulturschaffender derzeit.
„Wir sind als erste von der Corona-Krise herausgekegelt worden und werden als letzte wieder reingelassen“, sagt Höneß. Der Mainzer lebt von der Musik, mit seinen Solo-, Duo- und Band-Projekten, mit der Untermalung von Firmen-Events, Hochzeiten und Feiern. Alles fällt derzeit flach, und die staatliche Hilfe zielt regelmäßig an Höness und seinen Berufskollegen vorbei. Als die Krise begann, stellte sich Höneß mit seinem mobilen Klavier in die Mainzer Hafenstraße. 60 Zuschauer auf Balkonen und hinter offenen Fenstern stimmten beim „Hey Jude“-Schlusschor mit ein, das Video wurde zigtausendfach auf Youtube angeklickt, DPA und SWR meldeten sich. Seitdem hat der Musiker eine Reihe Auftritte vor Seniorenheimen und Krankenhäusern hingelegt, oft ehrenamtlich. Denjenigen, denen es schlecht geht, etwas Gutes tun, war sein Ziel. „Groß monetarisieren ließ sich das nicht.“ Aber die Erfahrung, eine 95-Jährige zum Rock’n’Roll-Tanz verleitet zu haben, hallt nach.
Beim Live-Stream aus der Halle 45 schauten vielleicht 50 Leute zu. Das gespendete Geld reicht allenfalls für Bendiks Anreise aus Freiburg und die eigenen Kosten. „Die Hoffnung war natürlich eine andere“, sagt der frühere Selzener. Aber mal wieder zusammen Musik zu machen, das hatte dem Duo gefehlt. „Musiker wollen Interaktion.“ Bei der „H45.tv“-Reihe sind es dann und wann mal Chat-Nachrichten, die ins Programm integriert werden. Wobei das ironisch-liebevolle, zwischen Cover und Satire pendelnde Programm „In Teufels Küche“ eigentlich akkurat choreografiert ist. Für Rockmusik-Freunde wäre auch eine nachträgliche virtuelle Stippvisite über die Halle-45-Homepage lohnenswert.
„Man sollte was tun und nicht in Depressionen versinken“, betont Höneß. „Ich habe wenig Hoffnung, dass es für uns Künstler nach der Krise wieder so wird wie vorher. Also muss man im Blick behalten, was sich entwickelt.“ TV-Auftritte ohne Publikum kennt das Duo, aber nur mit drei Technikern, Begleitpersonen und Monitor-Sound in einer leeren Halle? Eine Besonderheit. „Wir spielen das Programm seit 13 Jahren und wissen, wann gelacht wird. Da haben wir dann Pausen gelassen“, sagt Höneß. Immerhin gab es Applaus-Emojis via Internet. Aber davon kann kein Künstler leben. Der Familienvater zehrt schon jetzt von den Rücklagen, die für’s Alter gedacht waren. April bis Juli machen 80 Prozent seines Jahresumsatzes aus. „Viele Künstler, die jetzt die Erfahrung sammeln, dass sie eigentlich nichts wert sind, werden sich andere Berufe suchen“, vermutet Höneß. „Da wird ein großes Kulturloch auf uns zukommen.“ Und leere Veranstaltungsstätten.