Die Inzidenz in Mainz hat den Grenzwert von 100 überschritten. Das hat Auswirkungen auf Sport, Kultur und Gewerbe – und bringt eine Ausgangssperre mit sich.
MAINZ. Der Kontrast ist deutlich: In der Mainzer Altstadt herrscht am Dienstag ein buntes Treiben zwischen Marktständen und Cafés, als Michael Ebling in der Video-Pressekonferenz gleichzeitig eine sehr ernste Miene auflegt. Denn während draußen gefühlt der Sommer Einzug hält, verkündet der Oberbürgermeister die strengsten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung seit Beginn der Pandemie.
Nächtliche Ausgangssperre und erneute Schließung der Gastronomie
Diese umfassen unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre, die erneute Schließung der Gastronomie und weitgehende Einschränkungen im Einzelhandel. „Das sind die weitreichendsten Eingriffe in dieser Stadt seit Jahrzehnten“, sagt Ebling. Aber es sei nötig, die Notbremse zu ziehen. Einerseits weil dies so in der Bund-Länder-Vereinbarung festgelegt sei, wenn eine Stadt drei Tage hintereinander eine Inzidenz von über 100 aufweise, andererseits aber auch, weil es „angemessen“ sei. Die aktuelle „Dynamik des Infektionsgeschehens ist hochgefährlich“, sagt Ebling, nachdem sich die Inzidenz in Mainz innerhalb einer Woche von 57 auf 114 verdoppelt hat. „Wir müssen alles tun, um den Gesundheitsschutz der Menschen zu gewährleisten.“
Die neue Allgemeinverfügung werde am Mittwoch veröffentlicht und am Donnerstag um null Uhr in Kraft treten, erklärt der OB. Zwischen 21 Uhr und fünf Uhr gelte dann eine Ausgangssperre sowie ein Alkoholverkaufsverbot in Mainz. Beim Verstoß gegen die Ausgangssperre soll ein noch nicht endgültig festgelegtes Bußgeld von rund 100 Euro fällig werden. Ausnahmen sollen unter anderem für pflegende Angehörige, aus beruflichen Gründen und zum Ausführen des Hundes möglich sein. Im öffentlichen Raum dürfen sich ab Donnerstag nur noch Personen aus einem Hausstand mit einer weiteren Person aus einem anderen Hausstand treffen und körpernahe Dienstleistungen sind mit der Ausnahme von Friseuren und Gesundheitsberufen untersagt. Die gerade wieder eröffnete Gastronomie wird wieder geschlossen, ebenso wie die Museen. Der Einzelhandel darf Waren zur Abholung und Einzeltermine anbieten, Training ist nur noch in Einzelsportarten möglich.
Die britische Mutante sei für den starken Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich, betont Ebling. Sie sei ansteckender und gefährlicher, weshalb auch die Intensivmedizin durch sie noch einmal anders gefordert werde. „Das Infektionsrisiko ist deutlich gestiegen.“ Aus diesem Grund müsse das exponentielle Wachstum gebrochen und verhindert werden, dass das Gesundheitssystem zu stark belastet werde. Der einzige dauerhafte Ausweg aus der Situation sei das Impfen, das aber wegen des Mangels an Impfstoff nur langsam vorangehe. „Wir würden auch nachts impfen“, betont Ebling, „wenn wir denn den Impfstoff hätten.“ Deshalb sei klar, dass natürlich auch an Ostern geimpft werde.
Maßnahmen zunächst bis 12. April gültig
Die Dauer der Maßnahmen sei vorerst an die 18. Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes gekoppelt, die bis zum 12. April gültig sei. „Aber ich vermute, dass wir diese Regelungen über den 12. April hinaus haben werden“, sagt Ebling. Ein Bereich sei dabei aber bewusst ausgeklammert von den harten Maßnahmen: So wolle man den „Anspruch hochhalten“, dass Kitas und Schulen weiter funktionierten – auch wenn gerade Letztere eine Rolle spielen bei der Verbreitung der Virus-Mutante. „Das ist eine Privilegierung, die wir irgendwie ausgleichen müssen“, erklärt Ebling. Man gehe ein „kalkuliertes Risiko“ ein, um diesen wichtigen Bereich weiter offen zu halten.
Denn während die Hygiene-Konzepte an den Schulen funktionierten und nur Einzelfälle aber keine Ausbrüche zu verzeichnen seien, gebe es gerade an den Kitas häufiger Ansteckungen, berichtet Gesundheitsamtsleiter Dr. Dietmar Hoffmann. Wie im privaten Bereich verbreite sich die britische Corona-Variante an den Kitas deutlich leichter als der sogenannte „Wildtyp“ des Virus. Das gelte auch für die weitere Übertragung des Virus innerhalb der Familien. „Mittlerweile können wir immer mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass bei einem infizierten Kind auch Eltern und Geschwister infiziert sind. Das war ohne die Mutante vorher nicht der Fall“, so Hoffmann. Seit dem 1. Februar habe es Corona-Fälle an 24 Kitas in Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen gegeben. In einem dieser Fälle seien aus einer einzigen Infektion 17 Fälle hervorgegangen. Deshalb sei es wichtig, die Gruppen in den Kitas getrennt und so klein wie möglich zu halten.
Schnelltests spielen bei Inzidenz nur untergeordnete Rolle
Neben Kitas und dem privaten Bereich stammten viele Infektionen mittlerweile auch aus Betrieben, berichtet Hoffmann. Häufiger seien dabei in letzter Zeit zum Beispiel Werkstätten zur Autoreparatur betroffen gewesen. Die kostenlosen Schnelltests spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle bei der rasanten Entwicklung der Inzidenz. 55 bestätigte Corona-Fälle sowie elf falsch-positive Meldungen habe man in der vergangenen Woche durch die Antigen-Tests in Mainz und im Landkreis zusammen gefunden, erklärt der Gesundheitsamtsleiter. Angesichts von 236 bestätigten Neuinfektionen alleine in Mainz in diesem Zeitraum keine Zahl, die zu sehr ins Gewicht fällt. „Der Anstieg der Zahlen im Moment hat nichts mit den Schnelltests zu tun“, so Hoffmann.
Neben den drastischen Maßnahmen bereite man sich aber auch auf die Phase danach vor, betonen Ebling und Hoffmann. So solle etwa die Luca-App zur Kontaktnachverfolgung möglichst schnell eingesetzt werden. Schließlich sei es wichtig, Lösungen zu haben, wenn man wieder unter einer Inzidenz von 100 liege und versuchen könne, „wieder ein bisschen Normalität in den Alltag zu holen“, sagt Ebling.
Unser Podcast zum Thema
Ausgangssperre und Außengastronomie wieder dicht: Mainz zieht die Corona-Notbremse. Was nun noch erlaubt ist und warum eine Diskussion über noch härtere Regeln nötig ist, das besprechen Meike Hickmann, Paul Lassay und Frederik Voss in der neuen BabbelBox.