Welche Strategien gibt es für den Umgang mit Populisten? Experten suchen bei einer Diskussion bei der Landeszentrale für Politische Bildung in Mainz nach Antworten.
MAINZ. Eine einfache Antwort können auch die drei Experten nicht geben. Welche Strategien gibt es für den Umgang mit Populisten? Diese Frage bekommen Tanjev Schultz, Professor für Journalismus und ehemaliger Redakteur der Süddeutschen Zeitung, der Historiker Jan Kusber, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Mainz, und die Historikerin Zoé Kergomard vom Deutschen Historischen Institut Paris am Ende der Podiumsdiskussion über „Populismus in Europa“ im Rahmen der Reihe „Reden wir über Europa!“ der Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz gestellt.
„Ambiguitätstoleranz, Differenzierungsfreude und Komplexitätskompetenz, die als Grundtugenden für eine demokratische Bürgerschaft wichtig sind“, empfiehlt Schultz auf die Frage von Johannes Paulmann, Direktor des Leibniz-Instituts und Professor für Neuere Geschichte. Kergomard sieht es nicht „als ihre Rolle als Wissenschaftlerin, gegen den Populismus zu kämpfen“; ihr Ziel ist es vielmehr, „die Phänomene, die dahinterstecken, zu analysieren, und was als Populismus bezeichnet wird und weshalb“. Auch wenn sie als Bürgerin natürlich gleichfalls eigene Ansichten dazu habe. Und für Kusber stehen vor allem empirische oder Naturwissenschaften vor größeren Problemen, „denen jetzt von mancher Seite entgegnet wird, dass es so etwas wie Klimawandel nicht gibt und sie sich deshalb mit diesen Phänomenen auch nicht mehr zu befassen brauchen“. Schwierig ist es auch schon deshalb, zu Lösungen zu kommen, weil sich unter dem Begriff europaweit sehr viele verschiedene Phänomene finden lassen, die unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und Vorzeichen entstanden sind. Die „Krise der großen traditionellen Parteien“ wie der Gaullisten und der Sozialdemokraten hat Kergomard als Ursache in Frankreich ausgemacht – auch der Wahlkampf von Staatspräsident Emmanuel Macron habe typisch populistische Züge getragen. Für Polen sieht Kusber „die Schwierigkeit, mit der Transformation umzugehen“. Es sei daher eine sehr starke Diskussion über die Nation entstanden. Und Schultz sieht für Deutschland neben Auswirkungen der Wiedervereinigung auch Verluste an Parteienbindungen durch den Wandel von CDU und SPD. Eine „Zäsur“ sei es aber gewesen, dass sich mit der AfD eine Partei rechtskonservativer und rechtsradikaler Kräfte entwickelt habe, die bundesweit Erfolge feiere.
Einen Lichtblick können die Forscher vermitteln: Umfragen sowohl in Polen als auch in Deutschland zeigen eine breite Zustimmung der Bevölkerung zu Europa. Ein Problem gäbe es laut Schultz aber langsam in Deutschland – dass es auch die Europa-freundlichen Teile der Bevölkerung „graust, wenn sie die europäischen Nachbarländer angucken“. Politiker wie Orban würden schon als Risiko eingeschätzt, Entwicklungen in Polen oder Italien skeptisch beobachtet. „Diese Sorgen kann ich gut nachvollziehen“, so Schultz.