Landesrechnungshofbericht zu Oppenheim: Eingriff in die...

Einer der zahlreichen Kritikpunkte des Landesrechnungshofes: der Abriss des Gradinger-Hauses in Oppenheim. Foto: hbz/Michael Bahr

Was genau im Entwurf des Landesrechnungshofberichtes über die Haushaltsführung der Stadt Oppenheim und der Verbandsgemeinde Rhein-Selz steht, wissen nur wenige, jedoch sollen...

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MAINZ/OPPENHEIM. Jeder redet darüber, gelesen haben ihn (bisher) wenige: Der Entwurf des Landesrechnungshofberichtes über die Haushaltsführung der Stadt Oppenheim und der Verbandsgemeinde Rhein-Selz ist in aller Munde, bleibt aber vorerst unter Verschluss. Daher wird viel spekuliert über das, was Oppenheims Stadtbürgermeister Marcus Held (SPD) darin konkret vorgeworfen wird.

Diese Zeitung konnte mit Personen (auch aus der Landespolitik) sprechen, die Teile des Entwurfs gesehen haben. Offiziell will sich niemand äußern, auch Bewertungen gibt keine(r) ab. Allerdings ergeben sich Konturen, welche Themen in dem 80 Seiten starken Konvolut angesprochen werden.

Mehr als drei Viertel des Entwurfs beschäftigen sich, so ist zu hören, mit der Stadt Oppenheim. Auf fünf Seiten werden demnach Grundstücksgeschäfte im Neubaugebiet Krämereck Süd seziert, die zum Teil auch die Staatsanwaltschaft Mainz beschäftigen. Sie ermittelt seit Juli gegen Held wegen des Verdachts der Untreue in neun Fällen, dabei geht es um möglicherweise zu Unrecht gezahlte Maklercourtagen. Großen Raum soll auch die Oppenheim Tourismus GmbH einnehmen, bei der die Prüfer angeblich die Konstruktion in Frage stellen und die Frage aufwerfen, ob der Stadtrat ausreichend eingebunden wurde. Zudem soll es um Großspenden von Personen, die Auftragnehmer der Stadt sind, gehen sowie um eventuell unzulässige Eilentscheide ohne den Stadtrat.

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Führung der Stadt wird in Frage gestellt

All diese Themen sind aus der öffentlichen Diskussion bekannt und fanden sich zum Teil in ersten Rückfragen des Rechnungshofs im Sommer wieder. Neu ist hingegen, dass sich die Speyrer Behörde dem Vernehmen nach auch mit der Kostenexplosion beim Gradinger-Abriss ausführlich befasst. Hier will man offenbar wissen, ob die Stadt das Millionen-Desaster durch Vorab-Prüfung hätte verhindern können.

Neben der eigentlichen „Causa Held" sollen in dem Papier weitere Kritikpunkte zur Sprache kommen, die letztlich die ehrenamtliche Führung der Stadt grundsätzlich in Frage stellen. Da geht es keineswegs nur um Details, wie zum Beispiel: Brauchen Held und VG-Bürgermeister Klaus Penzer (SPD) Dienstwagen? Muss Oppenheim jedes Jahr eine vierstellige Zahl Weinflaschen zu Repräsentationszwecken verschenken? Warum gibt die Stadt Geld für Schülerlotsen aus, die VG-Sache wären? Warum kriegen Ex-Ratsmitglieder Ehrenringe? Muss man so viele teure Feste feiern?

Vorwurf der Verschwendung

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Massiven politischen Sprengstoff birgt aber eine andere Passage: Wie Insider bestätigen, schlägt der Rechnungshof vor, Stadt und VG sollten künftig auf Beigeordnete und Beauftragte mit eigenen Geschäftsbereichen verzichten. Ohne Ressortzuordnung bekämen sie keine pauschale Aufwandsentschädigung und gerade das hoch verschuldete Oppenheim würde viel Geld sparen.

Dieser Punkt, der im Grunde auf den Vorwurf der Verschwendung hinausläuft, betrifft in Oppenheim je drei Beigeordnete und Beauftragte. Das Beigeordneten-Salär bewegt sich Allgemein im Bereich von 30 bis 40 Prozent der jeweiligen Bürgermeister-Aufwandsentschädigung. In Oppenheim sind es konkret 801 Euro im Monat, Held, bekommt rund 2200 Euro im Monat, die Beauftragten 450 Euro. In der VG gibt es vier Beigeordnete und sechs Beauftragte (letztere bekommen hier 600 Euro im Monat).

Experten sehen Ehrenamt bedroht

Sollte die Forderung auf Verzicht im Entwurf stehen, wäre das Wasser auf die Mühlen der VG-Opposition, die das Beauftragtenwesen seit Jahren kritisiert. Allerdings wirkt diese Frage weit über Rhein-Selz und Oppenheim hinaus. Schließlich müssten viele Kommunen mit derselben Struktur bei einer Prüfung nun mit ebensolcher Kritik rechnen. Beispiel: Selbst das kleine Guntersblum leistet sich drei Beigeordnete mit Geschäftsbereichen.

Experten befürchten nun, dass durch solche Ideen das Ehrenamt noch unattraktiver wird, andere sehen hier gar einen Eingriff in die Selbstverwaltung drohen und halten den Ruf nach Verzicht auf die Geschäftsbereiche für schlicht unrealistisch. „Wie soll denn eine größere Stadt von einem ehrenamtlichen Bürgermeister allein geführt werden?“, fragt ein Insider rhetorisch. So werde das ganze System in Frage gestellt – am Ende helfe dann vielleicht nur, wie in anderen Bundesländern das Hauptamt einzuführen. Und nicht zuletzt müssten sich die Aufsichtsbehörden fragen lassen, warum sie dieser angeblichen Verschwendung jahrelang tatenlos zugesehen haben. Das betrifft die Landkreise und das Innenministerium. Wie gesagt: viel politischer Sprengstoff.

Von Ulrich Gerecke