Krieg in Afrin, Nord-Syrien: Mainzer Flüchtlingshelfer und...

Flüchtlingsarzt Gerhard Trabert berichtet von einem medizinichen Einsatz im umkämpften nordsyrischen Afrin.Archivfoto:  dpa  Foto:
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Neue Hoffnung, die langsam aufkeimte, wird wieder überschattet von Angst und Ungewissheit: Mit diesem Eindruck und bewegenden Schilderungen ist Prof. Dr. Gerhard Trabert in...

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MAINZ. Neue Hoffnung, die langsam aufkeimte, wird wieder überschattet von Angst und Ungewissheit: Mit diesem Eindruck und bewegenden Schilderungen ist Prof. Dr. Gerhard Trabert in dieser Woche von seinem dritten Hilfseinsatz in Syrien zurückgekehrt.

Unterstützt vom Verein „Armut und Gesundheit“ hatte er 60 Kilogramm Medikamente und medizinische Ausstattung im Gepäck, die eigentlich bestimmt waren für die stark umkämpfte Afrin-Region, in der sich die Lage in den vergangenen Tagen dramatisch verschlimmert hat. Selbst dorthin zu gelangen war ihm verboten, es wäre auch lebensgefährlich gewesen, doch über Umwege konnten die Hilfsgüter zu Kollegen gelangen.

Was ihm die Ärzte berichten, macht ihn betroffen und wütend: „Was da geschieht, ist ein Kriegsverbrechen“, betont er. Die Angriffe des türkischen Militärs treffen die Wasser- und Stromversorgung, was einem Angriff auf die Zivilbevölkerung gleich kommt. Auch Schulen und Gesundheitseinrichtungen werden bombardiert; unter den Opfern sind vor allem ältere Menschen und Kinder.

Doch nicht nur durch Kriegshandlungen kommen, so Traberts Bericht, Menschen ums Leben, auch die Versorgung reiche nicht im Hinblick auf akute und chronische Krankheiten: So fehlt es an Medikamenten, medizinischen Untersuchungsgeräten, Dialyse- und Ultraschallgeräten. Masern breiten sich aus, doch Impfstoffe gelangen nicht zu den Bedürftigen. „Ein einfacher Infekt kann schon das Todesurteil bedeuten“, verdeutlicht Gerhard Trabert den Ernst der Lage.

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Deutlich zugenommen hat die Zahl der Fehl- und Frühgeburten. Um Babys zu retten, steht in Mainz ein Inkubator bereit – der jedoch nicht ausgeliefert werden darf. „Das Embargo muss für Hilfslieferungen aufgelöst werden“, fordert der Mediziner, an die syrische und türkische Politik gerichtet. Er denkt dabei auch an dringend benötigte Hilfe für rund 18000 Menschen im Flüchtlingslager Ayn Issa, die sein Verein ebenfalls mit Spenden unterstützt. In Zelten leben viele Bewohner; auch Bilder der Zerstörung zeigt Gerhard Trabert, oder von Kindern, die Bluttransfusionen erhalten. Bei einem häufigen Gendefekt kann ihr Überleben zwar kurz gesichert werden, doch ohne die wichtigen Medikamente, die begleitend verabreicht werden müssten, lagert ihr Körper zu viel Eisen ein. Wird dagegen nicht bald etwas getan, sterben zehntausende Kinder in den nächsten Jahren. „Jedes von ihnen ist ein Opfer zu viel“, klagt der Mediziner an. Er hofft zum einen auf die Unterstützung der Pharmaindustrie und zum anderen auf die Genehmigung zur Einfuhr.

Gern möchte er bald losreisen, um zu helfen und weitere Zeichen der Hoffnung zu setzen, wie das neue Waisenhaus in Kobanê, das 1000 Kindern den Kita- und Schulbesuch ermöglichen soll. Weitere Hilfe möchte er den Kollegen dort per Skype anbieten, wenn es um die Verarbeitung von Traumata geht, unter denen viele wegen des Terrors leiden. Seine große Sorge ist, dass all das mühsam Aufgebaute nun wieder zerstört werden könnte.

Von Nicole Weiheit-Zenz