Knochensplitter in Anhänger aus Mainz begeistern Forschende

Das restaurierte  Reliquiar. © Sabine Steidl/RGZM

Mithilfe von Neutronen haben Forscher das Geheimnis eines vergoldeten Anhängers gelüftet, der 2008 in der Mainzer Altstadt gefunden wurde. Zu sehen ist er im Landesmuseum.

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MAINZ/MÜNCHEN. (red). Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Archäologie (Leiza) hat das Geheimnis eines vergoldeten Anhängers gelüftet, der 2008 in einer mittelalterlichen Abfallgrube in der Mainzer Altstadt gefunden wurde. Dank zerstörungsfreier Untersuchungen an der Technischen Universität München (TUM) konnten die Forschenden im Inneren des Objekts kleinste Knochensplitter lokalisieren, bei denen es sich vermutlich um Reliquien handelt.

Das restaurierte  Reliquiar. © Sabine Steidl/RGZM
Die Neutronentomografie zeigt das Innere des  Reliquienanhängers mit fünf Reliquienpäckchen. © Burkhard Schillinger/MLZ
Dr. Burkhard Schillinger (TUM) an der Tomografieanlage Antares, an der die Reliquien mit Neutronen sichtbar gemacht wurden. © Bernhard Ludewig, FRM II/TUM
Dr. Christian Stieghorst (r.) mit Dr. Zsolt Revay an der Prompten Gamma Aktivierungsanalyse (PGAA) der Forschungs-Neutronenquelle. © Wenzel Schürmann/TUM
Das Reliquiar in der Vitrine. © Matthias Heinzel/RGZM

Fünf einzelne Päckchen aus Seide und Leinen kamen bei der Auswertung zum Vorschein – darin waren jeweils Knochensplitter verpackt. „Die zerstörungsfreie Untersuchung mit Neutronen war besonders hilfreich, da wir den Anhänger nicht einfach öffnen und hineinsehen konnten. Durch die jahrhundertelange Korrosion ist das Objekt und vor allem der Schließmechanismus stark beschädigt, und es zu öffnen würde bedeuten, es unwiderruflich zu zerstören“, erklärt Restaurator Matthias Heinzel vom Leiza.

Während der Restaurierung entdeckte Heinzel in der Aufhängungsöse ein Kordelfragment, das nach näherer Untersuchung als Seide identifiziert werden konnte. „Dies ist der erste Nachweis, dass solche Anhänger womöglich an einer Seidenkordel um den Hals getragen wurden“, sagt der Restaurator.

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In 500 Stunden Arbeit befreite Heinzel das Fundstück von Korrosionsauflagerungen. Erste Untersuchungen ergaben, dass es sich bei dem etwa sechs Zentimeter hohen und breiten sowie ein Zentimeter dicken Anhänger vermutlich um einen Aufbewahrungsbehälter für Reliquien handelt. Da auf den ersten Röntgenaufnahmen der organische Inhalt des Objekts nicht erkennbar war, führte Dr. Burkhard Schillinger von der TUM eine Neutronentomographie durch, die die einzelnen Textilpäckchen mit den Knochensplittern im Inneren sichtbar machte. „Ob es sich um Knochen von Heiligen handelt und welchen Heiligen die Knochensplitter zugeordnet werden können, lässt sich nicht herausfinden. Meist ist Reliquienpäckchen ein Pergamentstreifen beigefügt, auf dem der Name des Heiligen steht. In diesem Fall können wir es aber leider nicht sehen“, erklärt Heinzel.

Die Forschenden datieren den Anhänger auf das späte 12. Jahrhundert und ordnen ihn einer Werkstatt in Hildesheim, Niedersachsen, zu. Das Fundstück kann bis auf Weiteres in der Mittelalter-Ausstellung „Aurea Magontia – Mainz im Mittelalter“ des Landesmuseums Mainz besichtigt werden.