Jahresrückblick: Tag der Deutschen Einheit in Mainz – ein...

Nachbildung des Brandenburger Tores vor dem Mainzer Rathaus. Archivfoto: Sascha Kopp  Foto:

„TDE“. Drei Buchstaben, die harmlos scheinen, die es aber in sich hatten. Mainz als Austragungsort des „Tages der Deutschen Einheit“: Wenn das mal nicht nach Werbung...

Anzeige

MAINZ. „TDE“. Drei Buchstaben, die harmlos scheinen, die es aber in sich hatten. Mainz als Austragungsort des „Tages der Deutschen Einheit“: Wenn das mal nicht nach Werbung für die Stadt und gleichzeitig nach enormem Aufwand klingt!

Nachbildung des Brandenburger Tores vor dem Mainzer Rathaus. Archivfoto: Sascha Kopp  Foto:
Kaputter Rasen in den stark frequentierten Grünanlagen an der Kaiserstraße. Archivfoto: Harald Kaster  Foto:

Es gab wohl noch nie ein Fest in Mainz, das so akribisch vorbereitet wurde, wie dieser Tag der Deutschen Einheit. Bereits Monate vor dem Termin wurden Anwohner und Geschäftsleute zu Info-Terminen geladen, Hotlines und Projektbüros eingerichtet. Ganz freiwillig war all der Aufwand nicht – durch das rollierende System, durch das jedes Bundesland alle 16 Jahre drankommt, kam Mainz um den Job nicht herum. Dass die Veranstalter auch ordentlich Respekt vor den enormen Sicherheitsanforderungen hatten, daraus machten sie kein Geheimnis.

Politiker aus ganz Deutschland, Fernsehteams, bekannte Bands in der Stadt, hunderttausende begeisterte Gäste – all das versprachen sich die Ausrichter der Staatskanzlei für das Fest. Die Hoffnungen der Veranstalter wurden nicht enttäuscht. Die Landeshauptstadt bewies, dass sie im Feiern gerne ganz vorne dabei ist. Ganz Deutschland war in Mainz zu Gast, die Vertreter der Verfassungsorgane sorgten für Aufsehen, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt seine erste viel beachtete Rede vor etwa 2000 Gästen in der Mainzer Rheingoldhalle.

Anzeige

Mainz war an diesem Tag in ganz Deutschland in den Nachrichten – und das ausschließlich positiv. Gerade nach den Ausschreitungen in Dresden im vergangenen Jahr war es umso wichtiger, dass die Deutschen zeigten, dass sie ihren Tag der Deutschen Einheit gerne friedlich und gemeinsam feiern. Die ganze Stadt wurde zur Feiermeile, alle Bundesländer präsentierten sich auf den Mainzer Straßen; wer vom Dom über die Lu, die Große Langgasse, Kaiserstraße und Rheinufer spazierte, konnte an einem Tag eine Tour durch ganz Deutschland unternehmen. Es wurde gemeinsam die Ode an die Freude gesungen, Tausende feierten mit Bands wie der Münchner Freiheit, Karat oder Tim Bendzko.

Die Verfassungsorgane breiteten sich auf der Kaiserstraße in riesigen Zelthallen aus; wer sich die Plenarsitzungen, die Arbeit des Bundeskanzleramtes, des Bundesrates oder anderer Regierungsinstitutionen anschauen wollte, musste allerdings ein bisschen Zeit mitbringen. Lang waren die Schlangen an den Eingängen. Was dafür spricht, dass das Interesse am politischen System Deutschlands da ist. Immerhin war eine Woche zuvor bei der Bundestagswahl eine Wahlbeteiligung von 76,2 Prozent erzielt worden – fast fünf Prozentpunkte mehr als vier Jahre zuvor.

Der Tag der Deutschen Einheit lockte an zwei Tagen 510 000 Menschen in die Stadt – und die kamen aus ganz Deutschland. Nicht nur, um die Einheit zu zelebrieren, sondern auch, um sich die Stadt anzuschauen, die Mainzer Lebensart kennenzulernen. Mainz hat sich von seiner besten Seite gezeigt, hat für sich geworben – und es geschafft, die durchaus präsenten kritischen Stimmen zum Tag der Deutschen Einheit nicht auf die Feierlaune drücken zu lassen.

Trotz Feierlaune – auch die Skeptiker behielten recht

Anzeige

Es gab viele Skeptiker, die den Erfolg des Festes schon vorab infrage stellten, die die massiven Verkehrsbeeinträchtigungen fürchteten, die hohen Kosten monierten. Und viele von ihnen behielten ebenso recht wie die Befürworter des Festes. Denn der Tag der Deutschen Einheit hat nicht überall nur Feststimmung verbreitet. Bereits zehn Tage vor dem 2. Oktober und bis zu eine Woche nach dem Tag der Deutschen Einheit mussten die Mainzer Einschränkungen beim Verkehrsfluss und bei Parkplätzen in Kauf nehmen. Ärger gab es vor allem, da nicht alle Anwohner einen Ausweichparkplatz für die Zeit der Sperrungen in der Innenstadt zur Verfügung hatten. Die Optik der Grünanlagen hat nach den massiven Zeltaufbauten, die tagelang dort Gäste und Politiker beherbergten, gelitten. Unter anderem auf der Kaiserstraße und am Fischtorplatz blieben statt Rasen nur noch braune Äcker zurück.

Finanziell mussten die Einzelhändler Einbußen verzeichnen: Durch die Aufbauten, die auch in den Haupteinkaufsstraßen teils vor den Läden standen, fand kaum ein Kunde in die Geschäfte. Abgesehen davon, dass die Mainzer und die Bürger aus dem Umland die Innenstadt bereits Tage vor dem Fest mieden. Busumleitungen, gesperrte Straßen, kaum Parkmöglichkeiten – an einen geregelten Alltag war in der Innenstadt über Tage nicht zu denken. Und das auch wegen der massiven Sicherheitsvorkehrungen: Der Dom blieb über Tage für Touristen gesperrt, am 3. Oktober glich die Innenstadt teilweise einer Geisterstadt, teilweise einer Polizeihochburg. Tausende Polizisten säumten die Straßen, kein Bürger, kein Auto außer den Politikerkarossen war zu sehen. Die Eintragung ins Goldene Buch, der Gottesdienst, der Festakt in der Rheingoldhalle – all das fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Lediglich akkreditierte Funktionäre waren zugelassen.

Die Kritik vieler Menschen an all den Einschränkungen ist berechtigt. Mainz ist für ein Fest einer solchen Größenordnung nicht gemacht. Auch die Frage, ob das recht starre Festkonzept mit den sicherheitstechnisch hochsensiblen protokollarischen Veranstaltungen jedes Jahr einer anderen Stadt übergestülpt werden muss – egal, ob die Stadt dafür geeignet ist oder nicht, muss erlaubt sein. Als Fazit bleibt: Mainz hat sich wacker geschlagen und sich nach außen hin von seiner besten Seite gezeigt.