Herr Drechsler, was beschäftigt Sie gerade?Sehr viel. Ich will wieder ins normale Leben zurückkommen.Was meinen Sie damit?Ich bin zurzeit obdachlos und auf der...
MAINZ. Herr Drechsler, was beschäftigt Sie gerade?
Sehr viel. Ich will wieder ins normale Leben zurückkommen.
Was meinen Sie damit?
Ich bin zurzeit obdachlos und auf der Suche nach Arbeit. Jetzt gibt es den Vorteil, dass mir eine Arbeitsstelle angeboten wurde. Jetzt regle ich erst mal das und suche dann eine Wohnung.
Darf ich fragen, was dazu geführt hat, dass Sie obdachlos wurden?
2014 habe ich angefangen, mich mit meinem Drogenproblem auseinanderzusetzen. Ich habe mich dann eigenständig in eine Klinik begeben, das alles durchgezogen und festgestellt, dass mein Leben sehr chaotisch war, immer. Es ist schwer, von der Straße runterzukommen.
Wo schlafen Sie denn?
Unter einer Brücke in Mainz.
Es dauert nicht mehr lang, da wird es richtig kalt draußen. Was machen Sie dann?
Dasselbe. Dadurch, dass ich seit längerer Zeit draußen bin, habe ich mir genug Decken und Schlafsäcke organisiert. Vor dem Winter habe ich keine Angst.
In Mainz gibt es doch Anlaufstellen, dass Sie nicht unter einer Brücke schlafen müssen.
Ja, ein paar. Aber da gibt es Regeln, die mag ich nicht. Und da liege ich in einem Sechsbett- oder Zweibett-Zimmer, werde vielleicht beklaut. Ich möchte ein freier Mann sein. In meiner Therapiezeit habe ich versucht, in ein betreutes Wohnen reinzukommen, habe es aber nicht geschafft. Dann dachte ich, bleibe ich eben da, wo ich bin, bis ich wieder etwas Festes hab.
Welche Drogen haben Sie denn genommen?
Amphetamine und dann Haschisch zum Runterkommen. Damit habe ich erst mit 40 angefangen. Jetzt bin ich 45, die Karriere ist also grad mal drei Jahre am Laufen gewesen. Dann habe ich gesagt: Stopp, Schluss, Aus, Ende. Bevor ich ganz vor die Hunde gehe. Vollbremsung, einweisen, und dann langsam wieder nach oben kommen. Aber so, wie ich es für richtig halte. Ich brauche Zeit.
Sie sehen nicht aus wie ein typischer Obdachloser, das muss ich Ihnen mal sagen.
Ich achte darauf, dass ich gepflegt aussehe, regelmäßig in der Pfarrer-Landvogt-Hilfe auf der Zitadelle dusche. Es soll nicht so rüberkommen, dass ich ein Straßenpenner bin. Ich trinke zwar meine Bierchen, aber wenn ich wie jetzt meine Straßengazetten verkaufe, gibt es keinen Alkohol. Danach dann wieder.
Wie verbringen Sie denn ihren Alltag?
Also bei Heimspielen gehe ich zu Mainz 05. Ich wohne hier seit fünf Jahren und bin Fan geworden, ich mag den Verein und die Mainzer einfach. Ja, und sonst verkaufe ich eben diese Straßengazette an jedem Tag, an dem Markt ist. Und ansonsten hänge ich mit Kumpels ab und trinke Bierchen. Sehr eintönig.
Wie würde Ihr perfektes Leben aussehen?
Täglich acht Stunden dort arbeiten, wo es mir Spaß macht. Nicht in einer Zeitarbeitsfirma, das kenne ich schon. Dann möchte ich eine Wohnung, in der ich mich wohlfühle. Im Moment fühle ich mich aber auch so wohl. Ich lebe so, wie ich möchte. Das kann mir keiner nehmen.
Das Interview führte Lisa Maucher.