Der neue OB ist erst das dritte direkt gewählte Stadtoberhaupt in Mainz. Und der erste seit 1949 ohne SPD-Parteibuch. Ein Blick in die Geschichte der Oberbürgermeister-Wahlen.
Mainz. Egal, ob Nino Haase (parteilos) oder Christian Viering (Grüne): Der am Sonntag gewählte Oberbürgermeister wird erst der dritte OB sein, der von den Mainzern direkt bestimmt wurde. Denn bis in die 1990er Jahre hinein wählte der Stadtrat das Stadtoberhaupt. Und die beiden direkt gewählten sozialdemokratischen OBs, die ab 1997 die Stadt führten, waren lange im Amt – insgesamt 25 Jahre. Ein Blick in die Geschichte der Oberbürgermeister-Wahlen in der Gutenbergstadt.
OB-Wahlkämpfe gibt es seit 27 Jahren. Erst 1996 durften die Mainzer erstmals ihren Oberbürgermeister direkt und für acht Jahre per Direktwahl bestimmen. Die SPD-Politiker Franz Stein (1949-1965), Jockel Fuchs (1965-1987) und Herman-Hartmut Weyel (1987-1997) wurden alle noch vom Stadtparlament ins Amt gehoben.
Mit der Reform des rheinland-pfälzischen Wahlrechts kam es 1996 erstmals zu einer Direktwahl in Mainz. Diese entschied der Sozialdemokrat Jens Beutel in einem packenden Wahlfinish für sich. Sechs Kandidaten waren damals angetreten. Im ersten Wahlgang lag der Christdemokrat Norbert Schüler mit 40,5 Prozent vorne, Beutel folgte mit 35,6 Prozent und der Bewerber der Grünen, Hans-Jörg v. Berlepsch, mit 11,8 Prozent. Vierzehn Tage später in der Stichwahl setzte sich Beutel, damals noch als Vorsitzender Richter am Mainzer Landgericht tätig, mit 51,4 Prozent gegen den damaligen CDU-Chef und Bürgermeister Norbert Schüler (48,6 Prozent) durch. 2124 Stimmen fehlten Schüler, um der erste CDU-Oberbürgermeister von Mainz zu werden. So blieb er vom Stadtrat gewählter Bürgermeister und somit OB-Stellvertreter. Offensichtlich hatten viele Grünen-Sympathisanten im zweiten Wahlgang Beutel ihre Stimme gegeben. Überraschend war auch, dass die Wahlbeteiligung von 49,9 Prozent auf 54,7 Prozent in der Stichwahl nach oben ging. Anfang Mai 1997 trat Beutel das Amt an.
2004, bei der zweiten OB-Direktwahl, hatte es Beutel als Amtsinhaber sogar geschafft, im ersten Wahlgang alles klar zu machen. Er erhielt 52,1 Prozent und ließ damit den CDU-Kandidaten, den damaligen Kulturdezernenten Peter Krawietz (37,7 Prozent), und Günter Beck von den Grünen (9,1 Prozent) weit hinter sich. Die Wahlbeteiligung sank auf 41,3 Prozent.
Zum 1. Januar 2012, nach fast 15 Jahren Amtszeit, trat der durch den Wohnbau-Skandal und wegen einer umstrittenen Capri-Reise politisch angeschlagene Jens Beutel vorzeitig zurück – aus gesundheitlichen Gründen.
2012 wird Michael Ebling erstmals zum OB gewählt
Bei der folgenden, dritten OB-Direktwahl gingen 2012 acht Kandidaten an den Start: Darunter der Mainzer SPD-Vorsitzende und Staatssekretär Michael Ebling, Bürgermeister Günter Beck im zweiten Anlauf und für die Christdemokraten Lukas Augustin. Der CDU-Mann war zuvor zehn Jahre lang Geschäftsführer der stadtnahen Mainzer Aufbaugesellschaft (MAG), 2010 aber wurde sein Vertrag nicht verlängert. Daraufhin wechselte er zur Stadtentwicklungsgesellschaft Ingelheim (Segi). Doch fünf Tage vor der OB-Wahl kündigte die Segi Augustin fristlos. Der Vorwurf lautete: Untreue im Zusammenhang mit der Nutzung eines Leasingautos und eines Handys, Augustin bestritt die Anschuldigungen. Die Folge der Augustin-Kandidatur für die OB-Wahl war für die CDU dramatisch: Obwohl die Partei damals die stärkste Fraktion im Stadtrat stellte, kam ihr Kandidat nur auf 20,4 Prozent.
In der Stichwahl standen sich Ebling, der im ersten Wahlgang 40,5 Prozent erhielt, und Beck mit 26,6 Prozent gegenüber. Ebling siegte mit 58,2 Prozent deutlich. Dass kein Politiker aus dem konservativen Lager auf dem Stimmzettel stand, war wohl ein Grund für die schlechte Beteiligung: Sie sank von 42,8 Prozent im ersten Wahlgang auf 34,3 Prozent in der Stichwahl.
2019 waren es nur fünf Kandidaten, die OB werden wollten. Als Amtsinhaber erzielte Ebling im ersten Wahlgang 41 Prozent. Der parteilose Nino Haase, der damals noch von der CDU unterstützt wurde, die überraschend auf einen eigenen Kandidaten verzichtete, kam auf 32,4 Prozent. Die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner von den Grünen schaffte es mit 22,5 Prozent nicht in die Stichwahl. Während sich am ersten Wahlgang noch 45,8 Prozent der Stimmberechtigten beteiligt hatten, waren es bei der Stichwahl nur noch 40,2 Prozent. Ebling machte mit 55,2 Prozent das Rennen, Haase erzielte 44,8 Prozent.
Nach dem überraschenden Wechsel von Ebling ins rheinland-pfälzische Innenministerium im vergangenen Oktober können die Mainzer nun zum fünften Mal ihren OB direkt wählen. Fest steht bereits nach dem ersten Wahlgang, dass erstmals seit 1949 kein Sozialdemokrat mehr die Amtskette tragen wird. Mit dem parteilosen Kandidaten Nino Haase, der im ersten Wahlgang 40,2 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, und mit dem Grünen-Politiker Christian Viering (21,5 Prozent) stehen sich am Sonntag in der Stichwahl zwei Kandidaten ohne SPD-Parteibuch gegenüber. 31.837 Stimmen erhielt Haase, 17.065 Viering in der ersten Runde am 12. Februar. Mit historisch schlechten Ergebnissen für ihre Partei mussten sich Manuela Matz von der CDU (13,5 Prozent) und die Sozialdemokratin Mareike von Jungenfeld (13,3 Prozent) geschlagen geben. Die Wahlbeteiligung lag bei vergleichsweise ordentlichen 49,2 Prozent.
Haase oder Viering? Wer an diesem Sonntag, 5. März, das Rennen macht, muss sich bis zur Amtseinführung noch zweieinhalb Wochen gedulden: Am Mittwoch, 22. März, wird Bürgermeister Günter Beck im Rahmen einer Stadtratssitzung im Kurfürstlichen Schloss dem neuen Stadtoberhaupt die Amtskette überreichen.