Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert ist vom 21. September bis 2. Oktober in Kisumu, der drittgrößten Stadt Kenias, unterwegs, um sich dort um die Straßenkinder zu kümmern. Hier...
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Heute sind noch mehr Kinder an der Mobile Clinic. Mobile Clinic klingt etwas überzogen, an der fahrenden kleinen medizinischen Sprechstunden-Ambulanz, wäre eine bessere Bezeichnung. Wir sind kaum angekommen, da sind schon über 70 Kinder und Jugendliche an diesem Ort. Viele erkennen uns sofort wieder, besonders die Jungs, die wir vor zwei Tagen medizinisch versorgt hatten. Daniel im Rollstuhl mit seiner Wunde am linken Amputationsstumpf ist da, auch Issac mit der großflächigen infizierten Verbrennung auf dem Kopf kommt direkt zu uns und der alte Mann, der an Lepra erkrankt ist und ebenfalls eine tiefe Wunde an seinem Amputationsstumpf hat sitzt auch schon auf dem Gehweg.
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Die Begrüßung ist herzlich. Die Jungs freuen sich scheinbar wirklich, uns wiederzusehen. Wir beginnen sofort mit unserer Hautsprechstunde - wieder auf dem Gehweg, aber besser vorbereitet. Mein Reisekoffer ist zu einer Verbands- und Medikamenten-Box umfunktioniert. Zwei Studentinnen aus Deutschland, die Sozialarbeit studieren, absolvieren gerade ihr Praktikum in Kisumu bei Uhuru und unterstützen uns toll bei unserer Arbeit. Heute kommen noch mehr Patienten zur Wundbehandlung. Wir müssen zwar oft improvisieren, sind aber besser ausgestattet und auf die Herausforderungen auch mental vorbereitet.
Geschenke von Mainz 05
Dann gibt es wieder die sehnsüchtig erwartete Milch- und Brot-Ration. Auch aber wir erneut ein ein weiteres Geschenk im Gepäck. Mainz 05 hat uns zahlreiche Fußballtrikots mitgegeben, die heiß begehrt sind. Die Chefs der Straßenkinder-Gangs verteilen die Fußball-Trikots, was nicht einfach ist, da mittlerweile die Anzahl der Kinder auf über 80 angestiegen ist. Ein herzliches Dankeschön an Mainz 05!
Ich trage an diesem Einsatztag ein T-Shirt der Hilfsorganisation RESQSHIP. Ich engagiere mich in dieser Hilfsorganisation wie auch bei Sea-Watch. Organisationen, die sich für die Rettung der Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer zu Wort melden und im Falle von Sea-Watch auch ein aktives Rettungsschiff im Einsatz haben. Mit dieser zivilen Seenotrettungsorganisation war ich schon zweimal im Mittelmeer im Einsatz und konnte gemeinsam mit der jeweiligen Crew Menschen vor dem Ertrinken retten.
Keine legalen Einreisewege
Es ist unfassbar was derzeit sich in Europa abspielt. Die Kriminalisierung ziviler Rettungsorganisation, wie zum Beispiel „Jugend rettet“ ist ein Skandal. Die europäische, die deutsche Politik schaut zu, wie tausende von Menschen im Mittelmeer ertrinken, unter anderem auch deshalb, weil die zivilen Rettungsorganisationen mit ihren Schiffen in den Häfen Maltas oder Italiens festgehalten werden beziehungsweise keine Häfen mit Flüchtlingen an Bord anlaufen dürfen.
Es sind gerade Afrikaner, die diesen Fluchtweg in das freie Europa wählen, ja wählen müssen, da es keine legalen Einreisewege gibt und weil in ihren Ländern katastrophale Lebensbedingungen vorherrschen, wie ich in Kenia derzeit konkret und praktisch erfahren muss.
Und dann gibt es die abscheulichen Demonstrationen in Deutschland, an denen die AfD maßgeblich beteiligt ist, auf denen gegrölt wird „Lasst sie absaufen!“. Die AfD war und ist eine rassistische, nationalistische Partei, die keine einzige Stimme verdient hat. Nie wieder darf es in Deutschland Faschismus und Rassismus geben.
Von Gerhard Trabert